: Wann ist ein Blatt ein Blatt?
Die erste deutsche Netzzeitung „RegioBLICK“ streitet vor Gericht um ihren Status – gegen einen Verlag, der eine Inflation virtueller „Zeitungen“ im Internet verhindern will
Nicht die deutsche Ausgabe der schwedischen Nettavisen ist Deutschlands erste Netzzeitung, sondern RegioBLICK (www.regioblick.de). Seit über anderthalb Jahren existiert die Tageszeitung nur im Internet. Und prompt ist der papierlose Informant auch schon Gegenstand der ersten juristischen Auseinandersetzung mit einem nur auf den ersten Blick spitzfindigen Thema: „Darf eine Zeitung, die nur im Internet erscheint, sich überhaupt Zeitung nennen?“
Laut RegioBLICK hat der regionale Zeitungsverlag Aachen in zwei Verfahren geklagt – eines gegen den Herausgeber Dieter Cohnen, eines gegen das Unternehmen selbst. Ziel war es, den Begriff „Zeitung“ für das virtuelle Blatt zu verbieten.
Die Redaktion von RegioBlick hat dieses Recht in erster Instanz vor dem Landesgericht Aachen verteidigen können. Ende August aber soll es nun in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Köln weitergehen: Geklärt werden muss die Frage, ob „eine Zeitung nur in gedruckter, also in Papierform möglich ist“ – so die Auffassung des Zeitungsverlages (ZV) Aachen.
Cohnen prophezeit, wenn das Gericht dem Antrag des ZV folgen sollte, weit reichende Folgen für den Markt: Dann könnten nur jene Groß- und Regionalverlage Zeitungen im Internet machen, die schon seit Jahr und Tag gedruckte Ausgaben herausgeben – eine eigenartige Form von Pressefreiheit.
Was sich also zunächst wie ein kurioses juristisches Scharmützel ausnimmt, könnte als Präzedenzfall weit reichende Konsequenzen nach sich ziehen – wenn es den Alteingesessenen gelingt, ihre Pfründe zu sichern.
Schon plant das Internet-Unternehmen „spray“, noch in diesem Jahr eine „Netzzeitung“ auf den Markt zu bringen bzw. ins Netz zu stellen. Eine Redaktion ist bereits eingekauft, Räume in Berlin sind angemietet – nur mit der Verkabelung hapert’s wohl noch.
Cohnen bereitet prophylaktisch schon mal die Gründung des ersten Bundesverbandes der Internet-Tageszeitungen vor.
Die Aufnahme in den Bundesverband Deutscher Zeitungs Verleger (BDZV) wurde dem baumschonenden Nachrichtenpool nämlich bisher verweigert. Mit ärgerlichen Folgen für die Mitarbeiter von RegioBLICK.
Laut Herausgeber werden den Redakteuren nämlich keine Presse-Ausweise ausgestellt. Und ohne Presseausweis lässt sich’s eben schlecht professionell arbeiten. JZ/FRA
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