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Ein gewandter Redner

Spaniens Sozialisten haben José Luis Rodríguez Zapatero überraschend zum Parteichef gewählt

Kaum gewählt und schon eine Legende. Zusammen mit einem engen Vertrauten bereitete José Luis Rodríguez Zapatero von seinem kleinen Abgeordnentenbüro in Madrid aus, mit nichts weiter als einem Handy bewaffnet, seinen Sturm auf den Sitz des sozialistischen Parteichefs vor. Drei Monate zog er kreuz und quer durchs Land und sammelte und warb unter dem Logo „Nueva Via“ – Neuer Weg – um Unterstützung bei den PSOE-Ortsgruppen. Mit Erfolg.

Am Wochenende setzte er sich mit 414 gegen 409 Stimmen gegen den Kandidaten des Parteiapparats, José Bono, durch. Obwohl dieser altgediente Politiker fünf Wahlen in seiner Region Castilla-La Mancha mit absoluter Mehrheit gewonnen hatte und die Unterstützung breiter Teile der Funktionäre genoss, setzten viele Sozialisten auf den jungen, unverbrauchten Zapatero.

„Nach vorn schauen anstatt zurück“, warb der gewandte Redner vor dem Kongress für den Neuanfang, ohne die klassische sozialistische Rhetorik dabei zu vergessen. Zapatero ist der erste PSOE-Führer, der sich seine Sporen in der Nach-Franco-Zeit verdiente. Als der Diktator starb, war der heute 39-jährige Enkel eines republikanischen Offiziers im Spanischen Bürgerkrieg 15 Jahre alt. Doch trotz seiner jungen Jahre ist Zapatero ein alter Hase in der Politik. Mit 19 wurde er erstmals in den Parteivorstand der PSOE in seiner nordspanischen Heimatprovinz León gewählt. 1986 zog er als jüngster Abgeordneter ins spanische Parlament ein. Zwei Jahre später wurde der studierte Verfassungsrechtler regionaler Generalsekretär.

In Spanien weit bekannt wurde Zapatero allerdings erst während seiner Rundreise als Kandidat zum Generalsekretär. Der ruhig und besonnen wirkende Politiker verspricht einen „undramatischen Wandel“. In seinen Reden kopiert er den beim letzten Kongress zurückgetretenen langjährigen Partei- und Regierungschef Felipe González. Gestik, Mimik, Satzaufbau, vieles erinnert an den Mann, der für Zapatero trotz der unzähligen Skandale, die die PSOE letztendlich in die Opposition und in die Krise führten, „das Licht“ ist, „das den Sozialismus erhellt“. Diese Botschaft, vermischt mit dem Versprechen nach Erneuerung und mehr Basisdemokratie, brachte ihm breite Sympathien ein. Zu seinen Anhängern gehören ebenso ehemalige Minister von González wie Gegner des alten, als autoritär geltenden Parteiführes. Der als kühl und berechnend geltende Zapatero hat es eben geschickt verstanden, an allen Ecken und Enden Unzufriedene zu addieren und damit dem verknöcherten, konservativen Apparat eins auszuwischen. REINER WANDLER

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