: Leidensweg aus Kryptonit
Der Dino Verlag hat Geschichten aus der Frühphase von Superman, Jahrgang 1938, neu aufgelegt und wurde dafür mit dem diesjährigen Max-und-Moritz-Preis ausgezeichnet
Superman ist langweilig. Der Mangel an dramatischer Fallhöhe schwächt diesen Superhelden mit Pfadfinderethik, von dem schon Umberto Eco meinte: „Superman indes befindet sich in der bedenklichen narrativen Situation, ein Held ohne Gegner und damit ohne Entwicklungsmöglichkeit zu sein.“ Mitte der 80er wurde die Serie in Deutschland eingestellt. In den USA verordnete der DC-Verlag dem Helden 1986 einen Relaunch: Von nun an zeigte er Gefühle und verlobte sich nach 48 Jahren Gekabbel mit der Reporterin Lois Lane. 1992 kam dann ein finaler Höhepunkt: „The Death of Superman“ erzielte eine Fünf-Millionen-Auflage. Natürlich ließ man ihn nicht in Frieden ruhen, und Szenarios, in denen Superman gegen die aus Film und Fernsehen bekannten Aliens kämpft, gehören eigentlich verschwiegen.
Aber nicht nur sein Ende, auch sein Anfang ist von Schwierigkeiten geprägt. Fünf Jahre lang verschickten seine Erfinder Jerome Siegel und Joe Shuster Exposés an Verlage, Zeitungen und Syndikate, bis der Held 1938 endlich seinen Auftritt hatte. Wer sich die jetzt im Dino Verlag übersetzt vorliegenden ersten vier Superman-Hefte anschaut, versteht die Ablehnung. Die Zeichnungen von Shuster sind mäßig, immer wieder gibt es Fehler in der perspektivischen Darstellung, und Details verschwinden und kommen, wie es gerade passt. Dennoch, binnen kurzem verkaufte sich das Heft mit einer Auflage von zwei Millionen, Zeitungsstrips, Zeichentrickfilme und Realfilme sollten folgen.
„Ich stellte mir eine Figur wie Samson, Herkules oder wie einen der anderen starken Männer vor. Nur noch stärker“, beschrieb Siegel die Erfindung seines All-in-one-Stars. Dabei war der ursprüngliche Held im Vergleich zu seiner heutigen Omnipotenz fast eine fragile Gestalt. Er konnte nicht fliegen, sondern nur weit springen, er hatte keinen Röntgenblick und vor allem: Er war noch durch eine Explosion verwundbar.
Daher sind auch seine ersten Abenteuer von einer charmanten Harmlosigkeit: Er deckt schlimme Zustände in einem Waisenhaus auf, bringt einen prügelnden Ehemann zur Räson und hilft einem Boxer, seinen wegen betrügerischer Machenschaften des Trainers verlorenen Titel zurückzugewinnen. Dieser Realismus findet sich auch in der Beziehung von Lois Lane und Clark Kent, der Alltagsexistenz von Superman. Beide arbeiten in derselben Zeitung, und Lane schreckt vor keiner Gemeinheit zurück, um an Storys ihres Kollegen zu kommen. Eines erstaunt allerdings: mit welcher naiven Erbarmungslosigkeit Superman Gangster aus dem Leben befördert. Der Pfadfinder als Killer. Und schon im vierten Heft kündigt sich dann auch die Wandlung der Figur zum Stereotyp an.
Für seine Reprints von Superman und Batman wurde der Dino Verlag im Juni beim Comic-Salon in Erlangen mit dem Max-und-Moritz-Preis ausgezeichnet. Diese Auszeichnung hat der Verlag doppelt verdient, nicht nur wegen der Superhelden-Ahnenforschung, sondern auch, weil die deutsche Ausgabe sogar ein paar Mark billiger ist als die amerikanische. MARTIN ZEYN
Jerome Siegel/Joe Shuster: „Superman Archiv Band I“. Dino Verlag 1999, 272 S., 69,90 DM
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