NACH LANGER SUCHE HAT TELEKOM FUSIONSPARTNER IN DEN USA GEFUNDEN: Endlich nicht mehr Provinz
100 Milliarden Mark für eine Firma mit gut 2 Millionen Kunden – ist das nicht eine grandiose Geldverschwendung? Ron Sommer, der Vorstandschef der Deutschen Telekom, will diese Summe gerade für die US-Mobilfunkfirma VoiceStream ausgeben, und nicht nur die Aktienhändler fragen sich, ob hier mit scharfem Stift gerechnet wurde. Zwar sind die Gewinne im Mobilfunksektor hoch, und die Zahl der Kunden explodiert schneller als die der Internet-User – vor einigen Monaten hätte dies noch genügt, um fast jeden Kaufbetrag zu rechtfertigen. Doch die Prognosen der New-Economy-Anhänger sind ein wenig unglaubwürdiger geworden, seitdem immer mehr Aktienkurse im Sektor absacken und die Anleger Profite statt Visionen erwarten.
Außerdem stand Ron Sommer unter gehörigem Erwartungsdruck, endlich eine große Fusion in den USA zustande zu bringen. Trotz vollmundiger Ankündigungen und mehreren Versuchen war bis jetzt kein Kauf geglückt. Dieser Zwang zum Erfolg hilft nicht beim kühlen Abwägen der Vor- und Nachteile. Die Deutsche Telekom ist zwar schon der größte Festnetzanbieter Europas und einer der Top-Telekom-Konzerne der Welt, doch eben immer noch provinziell. Da halfen auch Firmenkäufe in Großbritannien und diversen Ländern Osteuropas nicht. Alles außerhalb der USA ist in der Wirtschaftswelt der Großkonzerne heutzutage Provinz. Deshalb musste dort ein Fusionspartner her – koste es, was es wolle.
Bei den bisherigen Fusionen konnten Ron Sommer die genauen Kaufpreise ziemlich egal sein; auch ein paar Millionen oder Milliarden mehr waren möglich: Sein Mehrheitseigentümer war die Bundesrepublik, und die hielt still. Zwar beeinflussen die Übernahmekosten die Gewinnerwartungen und damit den Aktienkurs, aber bisher war dies keineswegs bedrohlich für den Job der Chefs. Das wird sich nun ändern. Denn der von der Bundesregierung verwaltete Aktienanteil sinkt auf 45 Prozent. Und mit dem neuen Großaktionär Hutchinson aus Hongkong werden Ron Sommer und die Telekom-Beschäftigten an neuen Maßstäben gemessen.
Für die Bundesregierung steigt – auch angesichts heftigen Grummelns in den USA über einen deutschen Staatskonzern auf Einkaufstour – der Druck, möglichst schnell die restlichen Telekom-Anteile zu verkaufen. Doch die wollten bisher sowieso alle Bundesfinanzminister so schnell wie möglich loswerden – bringt dies doch über 150 Milliarden Mark in die angeblich so leeren Kassen.
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