: Auf Edes Speiseplan steht seit einer Woche Kreide
Edmund hat sich verstoibert: Nach den rüden Attacken vor einer Woche rudert der bayerische Ministerpräsident zurück und versucht sich jetzt im taktisch-milden Versöhnungston
BERLIN taz ■ Gelassen schlenderte Edmund Stoiber den blitzsauberen Bootssteg an der fränkischen Seenplatte entlang und plauderte mit ZDF-Redakteur Peter Hahne. Nein, im Moment habe er keine Ambitionen, Kanzlerkandidat zu werden. Ungerührt schwindelte der CSU-Chef in die Kamera: Er traue diese Aufgabe durchaus der CDU-Chefin Angela Merkel und auch dem Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz zu. Dabei ist seit Jahren klar, dass der bayerische Ministerpräsident liebend gerne Kanzler würde. Allerdings will er erst dann als Kandidat antreten, wenn eine realistische Chance auf einen Unions-Sieg besteht. Danach sieht es im Moment nicht aus – wenn er sich alle Optionen offen halten will, bleibt Stoiber nichts übrig, als sich mit Merkel gut zu stellen.
Zum Amtsantritt hatte er ihr rote Boxhandschuhe geschenkt, und am Samstag erinnerte er daran, „dass ein Schuss polemische Auseinandersetzung“ mit dem politischen Gegner „dazugehört“. Doch seit einigen Tagen haben Stoiber und seine Mannen Kreide gefressen. Nach dem Abstimmungsdebakel im Bundesrat durfte Staatskanzleichef Erwin Huber poltern: „Wir müssen die Regierung stellen, nicht streicheln.“ CSU-Generalsekretär Thomas Goppel forderte gar die Ablösung von Eberhard Diepgen, der für die rot-grüne Steuerreform gestimmt hatte. Doch auf der Vorstandssitzung am vergangenen Donnerstag gab Stoiber die neue Parole aus: „Die Regierung mal stellen, mal streicheln.“
Dem Kurswechsel ging offenbar eine harte Auseinandersetzung zwischen der CSU-Spitze in Bayern und der CSU-Landesgruppe im Bundestag voraus. „Das dauernde Rumoren und Poltern“ aus München sei für das politische Geschäft nicht hilfreich, beschwerten sich etliche Bundestagsabgeordnete. Vor allem den CSU-Sozialexperten Horst Seehofer hatte es hart getroffen, dass er nach dem Willen Stoibers aus den Rentenkonsensgesprächen aussteigen sollte. Schließlich hatte er die rot-grüne Regierung weitgehend auf seinen Kurs gebracht. Inzwischen konnte Seehofer durchsetzen, dass er an den Konsensgesprächen wieder teilnehmen darf, wenn die Regierung weiteres Entgegenkommen zeigt.
Stoiber hat kapiert, dass seine eigenen CSU-Leute in Berlin und eine Mehrheit in der CDU seinen Kurs der Totalkonfrontation gegen die Regierung nicht mitmachen. Beim gemeinsamen Abendessen bei Stoibers zu Hause in Wolfratshausen hat ihm Angela Merkel klargemacht, dass es der Union schadet, wenn sie sinnvolle Regierungsvorhaben blockiert. Möglicherweise dämmert Stoiber sogar, dass er wegen seines selbstherrlichen und unnachgiebigen Auftretens am jüngsten Bundesratsdebakel mit schuld ist. Schließlich hat er Bremen und Berlin nicht nur einmal die Existenzberechtigung abgesprochen. Diepgen und Bremens CDU-Parteichef Bernd Neumann begründeten ihre Zustimmung zur Steuerreform damit, dass die reichen Süd-Unionsländer nicht zur Solidarität bereit gewesen seien. TINA STADLMAYER
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