: Internetgründer: Nie mehr Anarchie!
Die zweite Generation der Internetgründer will lieber eine klassische Struktur statt nur ein loses Netzwerk: 15 Start-ups gründen in Berlin das European Net Economy Forum, um endlich einen eigenen Verband zu haben
BERLIN taz ■ Anarchische Gründerclubs sind out. Die Start-ups des neuen Jahrtausends verlassen sich nicht länger auf informelle Netzwerke. Sie rufen nach Strukturen. Von bestehenden Wirtschaftsverbänden fühlen sie sich nicht vertreten und ernst genommen. In Berlin haben deshalb nun 15 Start-ups aus Köln, Berlin und München einen eigenen überregionalen Lobbyverband gegründet - das European Net Economy Forum (enef).
Der Verein für „netzaffine Unternehmen“ will stärker auf „die politischen und juristischen Rahmenbedingungen in Europa Einfluss nehmen“ , heißt es in der Satzung und vor allem die „Wettbewerbsposition junger Internet-Unternehmen in internationalen Vergleich stärken“.
Mit dieser Initiative zeigen sich die Gründer von heute weit pragmatischer als die Hals-überkopf-Jungstars der Vergangenheit, die lieber über bunt durcheinander gewürfelt Mailinglisten kommunizieren. Enef funktioniert nun mit einem ordentlichen Sprecher, einer Satzung, Aufnahmerichtlinien und einem Jahresbeitrag. Zum Sommerende soll der Verband stehen.
„Das Forum wird die Interessen der Start-ups bündeln und mit einer Stimme für sie sprechen“, sagt Koordinator und Sprecher Kilian Lenard. „Start-ups sind pressegeil“, fügt er hinzu. So hätten sich „bestimmte Leute“ über die üblichen „chaotischen Organisationsformen“ ständig produzieren können – „und andere eben nicht“. Nun soll Ordnung einkehren: Enef spricht für alle, die Mitglied sind.
„Die Professionalisierung war notwenig“, erklärt Lenard, denn längst sei der Zauber von „Idee, Start-up, Börse, Erfolg und dann Millionen“ verflogen. Start-ups sind heute eben ganz normale Firmen mit stinknormalen wirtschaftliche Interessen. Sie haben Arbeitnehmer, die langfristig, möglichst ordentlich bezahlt werden wollen, und sie stehen unter dem Druck der Old Economy und der Politik.
Das European Net Economy Forum formuliert daher gleich als Erstes eine Liste mit politischen und wirtschaftlichen Forderungen. Eine der ersten wird die geringere Besteuerung von Aktienoptionen sein. Viele der Jungunternehmen entlohnen ihre Mitarbeiter mit solchen Optionen. Außer Steuern sorgen sich die Jungunternehmer vor allem um die Ausbildung ihres Nachwuchses: Für Hochschulpolitik, Recruiting und Green Card sollen gemeinsame Positionen erarbeitet werden. Schließlich würden die Start-ups gern das Rabattgesetz kippen sehen.
„Wenn ein einzelnes Start-up aufschreit, lachen die Politiker, ist es ein etablierter Verband, dann wird man gehört“, behauptet Lenard. Als gutes Beispiel für einen Erfolg gemeinsamen Sprechens wird die von dooyoo im Juni angestoßene und von mehr als zehn Unternehmen unterschriebene Kampagne zur Green Card benannt. Sie kritisierte die Bevorzugung der Konzerne bei der Ausgestaltung derGreen Card. „Da hat die Politik aufgehorcht“, erzählt Hauke Fischbeck von Gründungsmitglied virtualley. Allzu große Nähe zu Politikern wünscht sich enef jedoch nicht. Im Beirat für das Forum sind keine Politiker vorgesehen – gesucht werden Unternehmer und Forscher. Damit ist klar, wen die Start-ups am Drücker sehen.
ANTJE HEINRICH
Informationen: www.enef.org
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