piwik no script img

Ende des Klamauks?

Streit um die Rechtschreibreform ist nach der „FAZ“-Entscheidung neu entbrannt. Bundestagspolitiker wollen jetzt auch ein Wörtchen mitreden

HAMBURG dpa ■ Im neu aufgeflammten Streit um die Rechtschreibung haben Gegner und Befürworter ein Einschreiten der Politik verlangt. Da es um die „Sprache für das ganze Land“ gehe, müsse sich „jetzt endlich der Bundestag mit dem Thema befassen“, forderte der CDU- Bundestagsabgeordnete Dietrich Austermann, der die Reform ablehnt. Der Lehrerverband rief die Kultusministerkonferenz auf, unverzüglich politische Verantwortung zu übernehmen. Während sich prominente Literaturkritiker und Schriftsteller mit drastischen Worten für die alten Schreibregeln stark machten, wandten sich Sprachwissenschaftler gegen eine Abkehr von der Reform. Auslöser des neuerlichen Rechtschreibstreits war die Entscheidung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), am 1. August zur alten Schreibweise zurückzukehren. Der CSU-Rechtsexperte Norbert Geis erklärte die Reform in der Bild-Zeitung vom Freitag für gescheitert: „Eine überflüssige Reform, die das Volk nicht annimmt. So schnell als möglich einstampfen.“ Der FDP-Politiker Jürgen Koppelin sagte, es seien „dringend Korrekturen“ erforderlich. Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Journalist Hans Büttner meinte, die „alten Säcke aus Medien und Politik“ sollten die Diskussion der Jugend überlassen. Die Reform diene der Anpassung an sich ändernde Schreib- und Redegewohnheiten.

Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki verglich die Reform im Kölner Express mit einem „nationalen Unglück. Mitschuldig ist, glaube ich, die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.“ Sie habe sich um die Reform erst gekümmert, als es zu spät gewesen sei. Die FAZ-Entscheidung sei eine Protestmaßnahme, die er für richtig und wichtig halte. „Ich glaube aber keineswegs, dass jene, die die Verantwortung für diese Katastrophe tragen, fähig und befugt sind, das Ganze wieder in Ordnung zu bringen. Die Trottel und Missetäter haben ihre Unfähigkeit hinreichend bewiesen.“ Schriftsteller Ralph Giordano sagte dem Express: „Endlich ein Ende mit dem Klamauk der so genannten neuen Rechtschreibung.“ Sein Kollege Walter Kempowski erklärte: „Man hat sich schon gewundert, dass es in diesem Lande möglich war, einen so tief greifenden Vorgang wie die Rechtschreibreform durch die Bürokratie diktiert zu bekommen.“ Die Geschäftsführerin der Gesellschaft für Deutsche Sprache, Karin Eichhoff-Cyrus, kritisierte, die FAZ werde zur Verwirrung in der Bevölkerung beitragen. Auch der Leiter des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim, Gerhard Stickel, krisierte, dass die FAZ-Entscheidung die Verwirrung komplett mache und bedauerlich ist. Der Springer-Verlag will an der Reform festhalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen