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Düsentriebs formieren sich

■ Mindestens 50 Erfinder werden ihre manchmal weltverbessernden Ideen auf einem Kongress in Bremen vorstellen / Verband der Erfinder soll nun erfunden werden

Mit dem Finanzamt ist das so eine Sache. „Schwierig“, findet Burkhard Suthoff den jährlich wiederkehrenden Stress, wenn sein eigentlicher Beruf vom Amt nicht akzeptiert wird. Für den gibt es keine Ausbildung, keine Lobby, keine bürokratisch passende Kategorie. Wahrlich, sie haben es schwer, die Herren und Damen Erfinder, klagt Suthoff aus Erfahrung.

Um das zu verändern, hat der Professor und doppelte Doktor der Physik jetzt einen Erfinder-Kongress erfunden. Unaufhörlich telefoniert, faxt und schreibt er seinen ideenfreudigen Zeitgenossen, um sie im September alle nach Bremen zu trommeln – zum ersten Erfinder-Kongress, den er mit seinen Partnern Hassouna Forschung und Technologie GmbH und dem Institut für Optimierte Physik an der Hochschule Bremen ausrichtet. Ein Verband europäischer Erfinder ist außerden noch in Gründung, „um ihnen endlich eine Lobby, ein geistiges Zuhause zu geben“, frohlockt Suthoff.

Denn der Bedarf für den „Austausch erfinderischer Prob-leme“ sei nachgerade immens. „Bislang gibt es manchmal kleine Vereine. Aber keinen überregionalen Verband“, moniert Suthoff. Über einen Zeitungsaufruf meldeten sich kurzerhand 40 Erfinder zum Kongress. Inzwischen sind es 50, und die Stellfläche für den Ideentag wird schon knapp. In knapp zwei Monaten sollen sich hier die Denker treffen, sich kennen lernen, Sorgen und Hilfe austauschen, ihre Ideen der Öffentlichkeit präsentieren und letztlich den Verband gründen.

Ihre Forderungen: Anerkennung des Berufsstandes – als „Privatunternehmen, der eben mit seinen Erfindungen handelt“. Und Verbesserung des Patentrechts, das bislang dem Geldgeber alle Rechte gibt, während der schluckerarme Erfinder meist leer ausgeht. Aus Sicht eines hauptberuflichen Ideengebers wäre schlussendlich die Nachwuchsförderung dringend zu regeln: „Originelles Denken“ fehlt in sämtlichen Stundenplänen. Und die Forschungsmittel dümpeln auf einem mittelalterlichen Tiefststand. Der Vorstand des Erfindertreffens ist dagegen der Auffassung, dass „Erfindungen die Lesezeichen der Geschichte sind“. Das müssten endlich auch die Finanzämter einsehen, die das „ernsthafte wirtschaftliche Potenzial“ der Erfinder verkennen.

Auch die gesellschaftliche Akzeptanz vermissten die Problem-Löser bislang. „Wir sind nicht die belächelten Einzelgänger. Wir machen zwar Kuriosiäten, aber deswegen sind wir noch lange keine Harlekins“, korrigiert Suthoff jegliche Düsentrieb-Phantasien. Unter Kuriositäten laufen vielleicht automatische Grabbewässerungssysteme oder der Spinnenfänger, die auf der Messe präsentiert werden. Dazwischen soll es auch verbesserte Windräder geben. Suthoff selbst hat zum Beispiel den Organtransport verbessert. Nur durchgesetzt hat das noch nicht. „Abgetrennte Körperteile werden immer noch in Eis gepackt, dabei weiß man, dass dabei Eis induziert wird.“ Seine Idee: Eine Art Dialyse-Gerät, das das Gewebe im Krankenwagen frisch hält.

Langjährige Erfahrung der Erfinder ist: Jeder kann Erfinder sein. Vergleichbare Berufe: Komponisten und Detektive. Letztere, weil sie sich der jeweiligen Lösung ebenfalls „step by step“ entgegenwühlen müssen, um die „Unzulänglichkeiten der Welt“ zu beheben, wie bei Suthoffs TV-Idol Columbo. „Das Wegräumen einer Eigenschaft nach der anderen lässt das Hindernis irgendwann zerfallen“, meint Suthoff. Zumeist nach vielen, vielen Versuchen. „Seit Edison weiß man, dass es 99 Mal nicht klappt“. Aber auch nach 98 Blindgängern, durchwachten Nächten sei Ausdauer, Optimis-mus und Zielvisionen gefragt, damit es beim 99. Versuch funktioniert. „Und dann“, schwärmt Suthoff, „hängt der Himmel wieder voller Geigen“.

Damit ist der gelernte Physiker mit Philosophie im Nebenfach beim verborgenen Wesen des Erfinders. „Komponisten“ oder „Funktionalkünstler“ pflegt er die Ideengeber zu nennen, die Zeit und Ruhe und „Harmonie in der Seele“ brauchen, um die große Idee zu finden, die die Welt ein ganz klein bisschen erträglicher machen soll. Ideen seien für seine Spezies die eigentlichen Schatzkis-ten.

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Erfinder-Kongress: Am 24. September in Varrel, Burgunderweg 7, Hotline: Tel.: 04221 – 93 23 20, Eintritt frei

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