: Handy-Milliarden für den Minister
Versteigerung der Lizenzen für die kommende Mobilfunk-Generation startet heute, dauert aber Wochen. Bundesfinanzminister rechnet mit mindestens 20 Milliarden Mark Einnahmen. Bieterteams der Konzerne hermetisch von der Außenwelt abgeschirmt
von JENS UEHLECKE
Heute beginnt in Mainz die voraussichtlich teuerste Auktion in der deutschen Geschichte: Unter den Hammer kommen vier bis sechs Lizenzen für den zukünftigen Handy-Standard UMTS (Universal Mobile Telecommunications Systems), der den Mobilfunkmarkt völlig umkrempeln soll. Zweistellige Milliardensummen, so prognostizieren Branchenkenner reichlich ungenau, wird das Mainzer Bietergefecht in die ausgetrocknete Staatskasse spülen.
20 Milliarden Mark hat Bundesfinanzminister Hans Eichel bereits fest in seinem Haushalt eingeplant. Angesichts dieser horrenden Preise sind von ursprünglich elf Bietern, die sich für die von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) veranstaltete Versteigerung angemeldet hatten, nur noch sieben übrig geblieben: die vier in Deutschland bereits etablierten Netzbetreiber Deutsche Telekom, Mannesmann D 2 (mit Vodafone), E-Plus (mit KPN aus den Niederlanden, Hutchinson/Hongkong und der japanischen NTT Domoco) und Viag Interkom (mit E.ON, dem Zusammenschluss von Veba und Viag, British Telecom und Telenor) sowie die internationalen Konsortien aus Mobilcom/France Telecom, Telefónica/Sonera und Debitel/Swisscom.
Für Furore hatte die anstehende Auktion bereits im Frühjahr gesorgt, nachdem in Großbritannien rund 75 Milliarden Mark für die neuen Lizenzen auf den Tisch geblättert wurden. Prognosen für den deutschen Mobilfunkmarkt, den größten Europas, schnellten daraufhin in luftige Höhen. Spekuliert wurde über Summen bis zu 120 Milliarden Mark. Inzwischen macht sich allerdings Ernüchterung breit.
Noch letzte Woche hatten die Experten des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Die Auktion könne wie in den Niederlanden zu einer großen Enttäuschung werden, vielleicht erziele der Staat nicht einmal die schon verplanten 20 Milliarden. Die niederländische Regierung hatte sich mit einem Erlös von umgerechnet nur 5,3 Milliarden Mark zufrieden geben müssen – nicht einmal ein Drittel der erhofften Einnahmen.
Als kleine Einstimmung auf die Milliardenversteigerung wurden die Teilnehmer der deutschen Auktion schon im Vorfeld zur Kasse gebeten: 20 Millionen Mark Startgeld musste jeder berappen, um heute überhaupt in Mainz dabei sein zu dürfen. Zudem mussten sie eine Bürgschaft von jeweils mindestens 400 Millionen Mark hinterlegen.
Die Lizenzen seien es wert, argumentiert die Bundesregierung. Wer eine ergattern kann, hat einen Startplatz im Mobilfunkmarkt von morgen sicher. UMTS – oft auch als Mobilfunksystem der dritten Generation bezeichnet – soll bis 2002 die Höchstgeschwindigkeit für das Übertragen von Daten per Handy um mehr als das 200fache steigern. Wer mit seinem Handy allerdings nur telefonieren will, hat nichts davon. Profitieren werden die, die im Internet surfen, ihrem Gesprächspartner beim Plaudern in die Augen sehen oder Videofilme auf einem Minidisplay anschauen wollen.
Auf den Glanz, der die großen Versteigerungen bei Sotheby’s oder Christie’s umgibt, müssen die Bieter in Mainz allerdings völlig verzichten. Die Auktion findet in der unscheinbaren Zweigstelle der Regulierungsbehörde im Stadtteil Gonsenheim statt. Jeder Bietergruppe wird dort ein spartanisch eingerichteter, fast völlig von der Außenwelt abgeschnittener Raum zugeteilt. Eine Telefonleitung zum Auktionator und eine in die jeweilige Firmenzentrale sind die einzigen Verbindungen nach draußen.
Um Preisabsprachen zu verhindern, wachen Beamte der Behörde mit Argusaugen darüber, dass die Teilnehmer während der Auktion nicht miteinander kommunizieren. Selbst wer zur Toilette muss, wird in den Waschraum begleitet. Wer trotzdem versucht zu pfuschen, wird ausgeschlossen und muss mit einer saftigen Geldstrafe rechnen.
Versteigert werden insgesamt zwölf Frequenzblöcke. Das Mindestgebot pro Frequenzbereich liegt bei 100 Millionen Mark. Geboten wird elektronisch über ein Computersystem, ein Durchgang pro Stunde. Die jeweiligen Rundenergebnisse will die Behörde live auf ihrer Homepage (www.regtp.de) veröffentlichen.
Die Auktion kann sich über Wochen oder gar Monate hinziehen. Ob ein Gewinn der Auktion im Endeffekt auch ein Gewinn für die Konzerne sein wird, bleibt allerdings abzuwarten: Den Siegern der Versteigerung stehen enorme Investitionen von noch mal schätzungsweise 7,5 Milliarden Mark zum Aufbau des UMTS-Netzes bevor.
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