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Alle Zweifel raumgedeckt

So wird die Saison, die wird (Teil 2: VfB Stuttgart): Viele perspektivlose Bankdrücker sind aussortiert, einer bekam zum Abgang sogar noch eine freiwillige Abfindung. Jetzt ist die Elf eine Baustelle

aus Stuttgart THILO KNOTT

Das Gottlieb-Daimler-Stadion macht sich schön. Die roten Schalensitze der Haupttribüne sind schon montiert. Draußen dagegen ist noch Baustelle pur: Zahllose Zäune grenzen das Areal ab, immer wieder fahren Laster ab und an. Der komplette Umbau soll im nächsten Jahr abgeschlossen werden. Ein Sinnbild für Bundesligist VfB Stuttgart? Ralf Rangnick, der Trainer, sagt, seit Beginn seines Engagements im Mai 1999 habe er noch nie so ideale Arbeitsbedingungen vorgefunden wie in dieser Saison. Das ist freilich nicht auf den Bauzustand des Stadions gemünzt. Mit Renovierarbeiten hat diese Einschätzung dennoch zu tun.

Nach dem äußerst dümmlich verpassten Uefa-Cup-Platz am letzten Spieltag der vergangenen Saison (3:3 nach 3:0-Führung gegen Absteiger Arminia Bielefeld) räumte Rangnick mit all dem auf, was ihm hinderlich erschien auf dem Weg zum Erfolg. Vor allem mit den Hinterlassenschaften seiner vielen Vorgänger: „Wir hatten doch teilweise 34 Feldspieler im Kader“, blickt Rangnick zurück. Alles andere als ideale Arbeitsbedingungen.

Also dünnte Rangnick den Kader aus: Verträge wurden nicht mehr verlängert (Berthold, Kies, Rost, Ristic). Es wurden Spieler ausgemistet, die fast nie spielten und deshalb längst auf der Abschussliste standen (Hollerieth, Zaharievski, Stojkowski, Ziegler). Ablösegelder gab es kaum, egal. Martin Spanring warf man sogar eine sechsstellige Abfindung hinterher, nur damit man ihn endlich los wird.

„Im Grunde ist es wie in einer Schulklasse“, sagt Pädagoge Rangnick, „bei 23 oder 24 Schülern hast du für jeden Einzelnen viel mehr Zeit.“ Die simple Logik heißt also: Eine kleinere Klasse (Kader) ergibt mehr Aufmerksamkeit für die Schüler (Profis), das wiederum fördert die Leistung (Laufbereitschaft, Kampfeswille, Tore, Siege) und schmälert somit die Unzufriedenheit (größere Chance auf einen Platz in der Anfangsformation). „In der vergangenen Saison“, resümiert Rangnick, „hat sich mancher Frust auf die Stimmung der ganzen Mannschaft übertragen.“

Die Mannschaft hat diese Logik offenbar verstanden. Jens Todt sagt: „Wenn die Spieler sich irgendwie verstehen und mögen, dann ist die Bereitschaft im Spiel größer, dem anderen zu helfen.“ Helfen wollen sie sich schon heute (20 Uhr 15, live im DSF) bei Standard Lüttich im Halbfinale des UI-Cups (Hinspiel 1:1). Alle verbreiten einen Optimismus, als gäbe es nicht den geringsten Zweifel daran, dass der VfB mit einem Sieg ins Finale einzieht. „Die Mannschaft ist in sich gefestigt“, vernimmt Rangnick mit Wohlwollen.

Überhaupt wird jeder Zweifel quasi in Raumdeckung genommen. Dem UI-Cup gewinnt Rangnick ausschließlich positive Seiten ab. Nie ist davon die Rede, dass sich die Mehrbelastung im Laufe der Saison negativ bemerkbar machen könnte. Geschweige denn davon, dass ein mögliches Verfehlen des internationalen Geschäfts auf der Akteure Gemüt drücken könnte. „Der UI-Cup gibt uns moralischen Rückenwind für die Liga“, sagt Rangnick. Oder: „Wir haben schon vor den ersten Bundesliga-Partien zahlreiche Spiele mit Wettkampfcharakter.“ Und: „Die Mannschaft ist körperlich absolut dort, wo sie sein sollte.“ Noch Zweifel?

Eines allerdings blieb in der Vorbereitung ungeklärt: Wer sorgt in der zentralen Mittelfeldposition für die kreativen Momente? Weder Krassimir Balakov noch Krisztian Lisztes drängen sich bisher sonderlich auf. VfB-Trainer Rangnick gibt zu bedenken: „Es gibt nicht die einzig gültige Lösung.“ Sein Motto: „Es geht darum, dass ein Team auf dem Platz steht, von dem ich glaube, dass es das bestmögliche ist, um zu gewinnen.“

Glaubt Rangnick an Balakov? Oder an Lisztes? Oder an Balakov und Lisztes im Tandem? Die Renovierungsarbeiten beim VfB sind noch nicht abgeschlossen.

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