Bescheidenheit ist seine Zier

Israels neuer Präsident Mosche Katsav ist orientalisch, traditionell religiös und nationalkonservativ

„Ein bisschen Frieden“ verdient das Volk, so Israels neuer Staatspräsident Mosche Katsav, und dafür will er sich einsetzen. Nicht wie sein unterlegener Kontrahent Schimon Peres, der den globalen Frieden im gesamten Nahen Osten anvisiert. Katsav geht es nur um den Frieden innerhalb der israelischen Gesellschaft. Ein „treuer Vertreter“ von Orthodoxen und Weltlichen, von Orientalen und Aschkenasim (europäischstämmigen Juden), von Immigranten wie hier Geborenen, von Arabern und von Juden möchte er sein. Kein „Mann von Welt“ wie Peres, sondern ein „Mann aus dem Volk“.

Sein Lebensweg mag ihn für diesen Titel prädestinieren: Unter ärmlichsten Verhältnissen wuchs Katsav in Kirjat Malachi, südlich von Tel Aviv, auf. Der kleine Entwicklungsort war eigens für die Aufnahme von Immigranten errichtet worden. Zusammen mit seinen sieben Geschwistern lebte er von den kargen Einkünften des Vaters, der in einer Fabrik arbeitete. Mit dem Reichtum anderer wurde der junge Mosche konfrontiert, als er seine Klassenkameraden aus einem Internat, in das ihn seine Eltern schickten, zu Hause besuchte. Von da an lebte er, wie er sagt, „in zwei Welten“, was ihn unsicher und introvertiert werden ließ.

„Ich habe nicht daran geglaubt, jemals auf eine Universität zu gehen“, erzählt er rückblickend. Als Student der Geschichte und der Wirtschaftswissenschaften schloss er sich dem rechtsnationalen Likud an und machte bald auf sich aufmerksam. „Der Kleine wird mal ganz groß“, wurde ihm nachgesagt. Bereits 1984 wurde der damals 39-Jährige der jüngste Minister in der Geschichte des Staates. Ungeachtet seiner steilen politischen Karriere bliebt die Bescheidenheit bis heute eine der hervorstechendsten Eigenschaften von Katsav. Wie seine Frau Gila, die in diesen Tagen ihre Stellung als Bankbeamtin kündigen muss, um sich auf die Rolle der „First Lady“ einzustellen, wird auch Mosche Katsav in seine neue Aufgabe erst hineinwachsen müssen.

Nach sieben aschkenasischen, weltlichen und sozialistischen Präsidenten ist Mosche Katsav der erste Staatschef aus dem entgegengesetzten Lager: orientalisch, traditionell religiös und nationalkonservativ. In Kirjat Malachi wurde die Wahl Mosche Katsavs zum Präsidenten als „Sieg des Volkes über die Eliten“ gefeiert. Kaum verwunderlich, dass Katsav gerade bei der orientalisch-orthodoxen Schas-Partei auf volle Rückendeckung stieß. Die dunkelhäutigen Abgeordneten mit der Kipa auf dem Kopf haben das gleiche gesellschaftliche Feindbild wie der neue Präsident. SUSANNE KNAUL