: Die WHO als „schlimmster Feind“
Bericht: Tabakkonzerne sollen jahrelang Weltgesundheitsorganisation unterwandert und bekämpft haben
GENF dpa/rtr ■ Die internationalen Tabakkonzerne haben nach Auskunft der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jahrelang vermeintlich unabhängige Experten bezahlt und in die Organisation eingeschleust, um den Kampf gegen das Rauchen zu untergraben. Die WHO legte am Mittwoch in Genf Dokumente vor, die die Machenschaften der Tabakindustrie beweisen sollen.
Thomas Zeltner, Autor des Berichts „Die Strategien der Tabakunternehmen, um die Anti-Tabak-Aktivitäten der WHO zu unterlaufen“ und Direktor des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit, zeigte sich schockiert über die mit Millionenbeträgen finanzierte Unterwanderung der WHO-Aktivitäten. „Die Dokumente enthüllen, dass die Tabakunternehmen die WHO als einen ihrer schlimmsten Feinde betrachteten“, sagte Zeltner.
So habe ein amerikanischer Rechtsanwalt in den Diensten des WHO- Regionalbüros für Amerika dem Zigarettenhersteller BAT ein monatliches Beraterhonorar in Rechnung gestellt. Ein Forschungsinstitut der Tabakindustrie, Coresta, platzierte ihren Mitarbeiter als Berater einer WHO-Kommission, die die Krebsgefahr von Pestiziden auf Tabakplantagen untersuchte. Die Tabakkonzerne hätten versucht, eine Kürzung des Budgets der WHO zu erwirken, andere Behörden der Vereinten Nationen (UNO) gegen die WHO aufzubringen oder die Ergebnisse wichtiger Studien über den Tabakkonsum zu ihren Gunsten umzudeuten, schrieb die WHO. Die WHO erarbeitet derzeit das erste internationale Abkommen zur Begrenzung des Tabakkonsums und zum Verbot von Tabakwerbung.
Die Tabakindustrie sieht die Sache anders. Philip Morris erklärte, der WHO-Bericht stütze sich offenbar auf alte Dokumente. Der Konzern habe nicht versucht, WHO-Initiativen zu untergraben. Die British American Tobacco Plc. (BAT) warf der WHO vor, nicht auf Gesprächsangebote über ein Rahmenabkommen zur Tabakkontrolle reagiert zu haben.
Die von der WHO bestellten Experten haben mehrere tausend vertrauliche Strategiepapiere und interne Mitteilungen der Tabakkonzerne untersucht. Deren Veröffentlichung hatten US-Richter im Rahmen der Milliardenklagen amerikanischer Raucher vor kurzem erzwungen.
Im Internet: www.who.int, Bericht unter http://www.who.int/home/whats new.html
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