EU gegen deutsche Verlage

Der Streit um die Buchpreisbindung eskaliert: Verlage und Börsenverein des Buchhandels wegen des Boykotts des Internetbuchhändlers Libro durchsucht

BERLIN taz ■ Der Buchkonzern Bertelsmann, der Aufbau-Verlag, zwei Buchgroßhändler, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Wiener Libro AG haben gestern unangekündigten Besuch bekommen: Fahnder der EU-Kommission suchten Belegen für den Vorwurf, es habe illegale Absprachen für einen Lieferboykott gegen Libro gegeben.

Libro hatte Anfang Juli damit begonnen, im Internet deutsche Bücher 20 Prozent unter dem Ladenpreis zu verkaufen. Daraufhin hatten mehr als 30 Verlage und Großhändler den Libro mit einem Lieferstopp belegt. Sollten die Beamten bei ihrer gestrigen Untersuchung Dokumente für ein koordiniertes Vorgehen der Verlage gefunden haben, drohen den Unternehmen hohe Strafen wegen der Verletzung von Kartellvorschriften.

Bisher trafen Durchsuchungen der EU-Kommission eher große Konzerne wie Banken, Autohersteller oder Coca-Cola. Bernd F. Lunkewitz, Aufbau-Verleger, sieht denn hinter der Aktion vor allem eine politische Kampagne: „Die EU-Kommission nimmt seit Jahren die Buchpreisbindung zum Anlass, überall den freien Markt durchzusetzen – frei von jeglichen Beschränkungen und allen guten Sitten.“ Der Vorwurf, Aufbau habe sich mit anderen Verlagen über einen Boykott gegen Libro verständigt, sei absurd und aus der Luft gegriffen. „Es wäre sicherlich möglich, die Bestseller billiger zu machen. Aber dadurch würden andere Bücher teurer“, erläutert Lunkewitz den Standpunkt des Verlags. Der Lieferstopp sei im „ureigensten Interesse“ erfolgt.

Auch bei Bertelsmann in München hieß es, die Vorwürfe seien unbegründet. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels nannte die Durchsuchung seiner Räume und der anderen Verlage „völlig überzogen“. Die Aktion sei ein „Einschüchterungsversuch gegen einen unbequemen Verhandlungspartner“.

Die Absurdität des ganzen Verfahrens sieht Aufbau-Verleger Lunkewitz in der Tatsache bestätigt, dass auch Libro selbst durchsucht worden sei. Das Unternehmen hatte sich in der vergangenen Woche mit Bertelsmann darauf verständigt, künftig die Buchpreisbindung wieder zu beachten. Im Gegenzug wollte Bertelsmann seit Montag wieder an Libro liefern. Auch das könnte nach Ansicht der EU-Kommission eine unzulässige Absprache sein. MATTHIAS SPITTMANN