: Wind weht durchs Auswärtige Amt
Ischinger, der mächtige Mann hinter Fischer, soll als Botschafter nach Washington. Auch die Planungsabteilung bekommt einen neuen Chef
von SEVERIN WEILAND
Als der Kosovo-Krieg in seine entscheidende Phase ging, war Wolfgang Ischinger ein gefragter Mann. Oft war es der beamtete Staatsekretär im Auswärtigen Amt, der auf Pressekonferenzen in Bonn Einschätzungen zur Linie des Hauses vertrat.
Die zentrale Rolle, die Ischinger in den ersten Tagen der Bewährung für Joschka Fischer einnahm, dürfte bald zu Ende gehen. Denn der Hausherr, so heißt es, will nach der Sommerpause sein Amt in Berlin an entscheidenden Stellen neu ordnen. Ischinger wird voraussichtlich Botschafter in Washington, dafür soll der bisherige Mann in den USA, Jürgen Chrobog, seinen Posten einnehmen. Diesem Wechsel, dem das Kabinett zustimmen muss, wird ein neuer Zuschnitt vorangehen. Sollte Chrobog seinen Posten antreten, dürfte er im Schatten eines anderen Staatssekretärs arbeiten. Denn Fischer will Gunter Pleuger mehr Macht geben. Der ist ebenfalls beamteter Staatssekretär und mit Ischinger arbeitsteilig für die zehn Abteilungen im Amt zuständig. Pleuger gilt hausintern als Vertrauter des Außenministers und vor allem als Bindeglied zu jenen Mitarbeitern, die in den letzten Monaten ihre Sympathien zu den Grünen öffentlich bekundeten.
Fischer will offenbar bisherige Reibungsverluste der Staatssekretäre Pleuger und Ischinger vermeiden. So wird Pleuger die Zentralabteilung übernehmen, in deren Verantwortungsbereich Personal, die politische Abteilung (USA, Sicherheitspolitik, Russland, Osteuropa), die Europa- und die Abrüstungsabteilung fallent. Ischinger, der erst in einem Jahr als Botschafter nach Washington gehen soll, bleibt bis dahin die Aufsicht über die Abteilung für Afrika, Asien, Südamerika und die Zuständigkeit für die UNO, die Wirtschafts- und Rechtsabteilung und für Kultur und Protokoll.
Warum die Neugewichtung stattfindet, bleibt offen: Möglicherweise ist Fischers Entschluss Ausdruck seines gewachsenen Selbstvertrauens. Nach anfänglicher Zurückhaltung hat er in den vergangenen Monaten zunehmend selbst Zeichen gesetzt. Sein Vortrag über die Zukunft Europas als Föderation wurde große Beachtung geschenkt. Dass Fischer die Europapolitik verstärkt zu seinem Thema machen will, zeigte sich auch in seiner Entscheidung, Staatsminister Christoph Zöpel als EU-Beauftragten für die EU-Konferenz in Nizza zu entbinden. Zöpel, SPD-Mann und wie Fischer kein gelernter Diplomat, war öffentlich durch seine für das Amt ungewohnt direkten Äußerungen aufgefallen. So hatte er dem Amt vorgehalten, die föderale Idee bei der Konzeption eines künftigen Europas zu vernachlässigen. Er hätte es lieber gesehen, wenn Fischer statt von einem Europa der Nationalstaaten von einem Europa der Staaten gesprochen hätte, in dem neben der französischen Nation auch der deutsche Föderalismus sein Platz bekäme. Zöpel selbst, so heißt es, löste den Konflikt mit Fischer, in dem er anbot, dass künftig Staatssekretär Pleuger – der wie er ebenfalls für Europapolitik zuständig ist – neben dem Minister zur EU-Regierungskonferenz reist.
Mit Ischinger und Pleuger dürfte das Stühlerücken noch nicht zu Ende sein. Fischers bisheriger Büroleiter Achim Schmillen, ein Grüner, ist als Chef des Planungsstabes im Gespräch. Denn der Posten an der Spitze des Think-Tank – hier wurden auch Elemente zur Europarede beigesteuert – wird frei. Mit Georg Dick wechselt der bisherige Chef als Botschafter nach Chile. Der 53-Jährige war zusammen mit Fischer beim „Revolutionären Kampf“, der in Frankfurt damals bekannten Sponti-Truppe. Würde Schmillen den Planungsstab übernehmen, wäre eine wichtige Schnittstelle zum Büro des Ministers mit einem Vertrauten besetzt, zumal im Stab selbst mit Frank Herterich und Joscha Schmierer zwei alte Bekannte des Ministers agieren: Herterich war Mitglied der maoistischen KPD/AO und Schmierer Mitgründer des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands.
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