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Zahnlose Tiger

Senilität und Sehnsucht: Vor Bushs außenpolitischen Beratern braucht man keine Angst zu haben

PHILADELPHIA taz ■ Dass George Bush Junior anders als sein Vater kein Außenpolitiker ist, weiß man. Entsprechend groß war die Aufmerksamkeit, als in Philadelphia die alte Garde der Politiker auftrat, die unter Reagan und Bush die Außenpolitik der USA bestimmten und hinter Bush Junior standen, als er seine zwei großen außenpolitischen Programmreden hielt. So sieht etwa Lawrence Eagleburger, Bushs letzter Außenminister, der sich zu einer Podiumsdiskussion mit zwei Krücken auf die Bühne quälte, den gravierendsten Fehler Clintonscher Außenpolitik darin, dass nicht über die Herausforderungen der Zukunft nachgedacht wurde. Eagleburger tut das, sogar bis zum Jahr 2050: „Der Prozentsatz 90-jähriger wird dramatisch steigen. Furchtbarer Gedanke, ich fühle mich schon mit 70 miserabel. Hat Clinton je darüber nachgedacht, was derartige Veränderungen für die Außenpolitik bedeuten?“ Eagleburger möchte am liebsten, dass ein ganzes Jahr über derartige Zukunftsfragen nachgedacht wird.

George Shultz dagegen, Reagans alter Außenminister, dessen ledernes Gesicht wie das einer Mumie aussieht, findet das zu lang. Richard Armacost, damaliger US-Sonderunterhändler für die unabhängig werdenden Sowjetrepubliken, macht einen Vermittlungsvorschlag: „Man könnte ja einen Monat lang nachdenken und in der Zeit auch schon handeln.“ Soviel zum Vertrauen, das man in die erfahrenen Berater haben soll, die Bushs Außenpolitik gestalten sollen.

Condoleezza Rice (45), die schwarze Politikwissenschaftlerin von der Stanford University und Bushs wichtigste außenpolitische Beraterin, sagte unter tobendem Applaus der Delegierten auf dem Convent: „Sollte Bush je militärische Gewalt einsetzen müssen, dann wird er das mit dem klaren Siegeswillen tun, denn für ihn ist Sieg kein unanständiges Wort.“ Dass Amerika sich nicht für Machtposition rechtfertigen werde, sagte auch Robert Zoellick, der neben Condoleezza Rice als Anwärter auf das Amt des nationalen Sicherheitsberaters genannt wird. Man ahnt die Sehnsucht nach der Welt des Kalten Kriegs.

„Wir müsen die großen Dinge richtig hinkriegen,“ sagt Zoellick, „statt steuerlos von Krise zu Krise zu treiben und Außenpolitik ad hoc zu machen.“ Zu den großen Dingen gehört natürlich die Raketenabwehr. Dabei müssten aber Amerikas Verbündete mit eingeschlossen werden, statt sie wie Clinton bisher vor den Kopf zu stoßen.

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