87 Zeilen Ehekampf

Eine Achtundsechzigerin auf dem Schlachtfeld der Beziehungen: Anita Lenz hat mit ihrem Roman Recht, weil sie liebt

Dieses Buch tut weh. Einerseits, weil man es sich, frustriert über die Naivität und Schwäche der Erzählerin, vor den Kopf schlägt; andererseits, weil Trauer, Wut und Schmerz so intensiv beschrieben sind, dass man sich nicht entziehen kann und mitleiden muss.

Die Geschichte ist so simpel wie grausam: Nach fast 28 Ehejahren teilt Helmut seiner Frau Maja mit, dass seine Geliebte soeben ein Kind von ihm zur Welt gebracht hat. Nach und nach muss Maja begreifen, dass ihr Mann schon lange ein Doppelleben führt, ihre heile Welt nur Fassade ist. Die – immerhin – taz-Redakteurin, geprägt durch 68er-WG-Küchentisch-Gespräche und Wald-und-Wiesen-Psychologie, fällt in ein tiefes Loch, nicht wissend, ob sie um ihre Ehe kämpfen oder Helmut in die Wüste schicken soll. Jede neue Enthüllung bringt Majas Vorstellung, das Kind sei ein Unfall oder ein von der Geliebten geplantes Druckmittel, ins Wanken. Dazu ändern sich Helmuts Aussagen je nach Ort: In Tübingen, wo er die Woche verbringt, malt er mit seiner Geliebten rosarote Zukunftsbilder, in Berlin schwört er seiner Frau Liebe und freut sich mit ihr auf das erste Enkelkind.

Für Maja gelten die schönen altlinken Vorstellungen von Toleranz und offener Beziehung nicht mehr: Sie will ihren Mann für sich allein, will, dass sich seine Vaterschaft auf Zeugung begrenzt und keine emotionale Bindung wird. Helmut ist dabei keine Hilfe. Immer gibt er nur das Nötigste zu, laviert sich zwischen alter und neuer Familie durch. Zur Not überdeckt Sex alle Konflikte und wird damit zum ersten Mal in dieser Ehe zum beziehungserhaltenden Element.

Maja, das ist Anita Lenz. Zwischen Romanfigur und Autorin gibt es keine Distanz. Das ist es auch, was das Buch zum einen faszinierend, zum anderen schwierig und anstrengend macht. Ein bisschen Voyeurismus steckt in jedem, und es ist unbestreitbar spannend, bei einem Ehekrach zu lauschen. Doch Anita Lenz zerrt einen mitten auf das Schlachtfeld. Sie offenbart sich so genau in den Details ihrer Wut, Liebe und Lust, wie man es gar nicht immer wissen möchte. Das Buch ist Selbstzweck, eine Therapie, in der Anita Lenz sich ihre Gefühle von der Seele schreibt, überzeugt davon, dass auch Recht hat, wer leidet. Dabei stellt sich jedoch schnell die Frage, warum eine Frau, die so mutig ist, all ihre Emotionen so ungeschminkt zuzugeben, es nicht schafft, ihren verlogenen, schwachen Mann zu verlassen. Am Ende steht die Entscheidung, es weiter zu versuchen, der Liebe nachzugeben, auch gegen den Verstand. Alles bleibt, wie es ist, nur schmerzhafter.SUSANNE KATZORKE

Anita Lenz: „Wer liebt, hat Recht. Die Geschichte eines Verrats“, KiWi Paperback, Köln 2000, 16,90 DM