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Feingeist mit Maske

Im Alter von 86 Jahren ist der britische Filmschauspieler Sir Alec Guinness gestorben

Bei einem Schauspieler auf der Bühne erinnert man sich an seine Gestik, an die Physiognomie, mit der er den Raum da vorne irgendwie ausfüllen muss, und an die Stimme, die diesen Raum mit dem eigenen unten im Dunkel des Saals kurzschließt. Im Kino ist das oft anders: Die Stimme wechselt zwischen Originalton und Synchronisation, der Körper wird je nach Kamerawinkel modelliert; was sich im Spiel der Apparaturen einprägt, sind Großaufnahmen – Gesichter, Münder, ein Lächeln, Augen.

Wenn man Sir Alec Guinness nach seinem Blick beurteilt, war er müde, verdrießlich und schwer melancholisch. Schaut man auf seinen Mund, so wirkte der 86-jährige Brite noch in Komödien wie „Adel verpflichtet“ unglaublich ernst und verschlossen. Vielleicht mochten die amerikanischen Kritiker genau diese entschiedene und von dieser Entschiedenheit doch sorgendurchfurchte Existenz, mit der Guinness in „Die Brücke am Kwai“ einen britischen Colonal spielte. Als pflichtbesessener Offizier seiner Majestät, der in japanischer Gefangenschaft aus Sturheit und verzweifeltem Stolz eine Brücke bauen lässt, die am Ende von den Alliierten zerstört wird, erhielt er 1957 den Oscar. Diese Hingabe ans Schicksal muss auch den Briten gefallen haben: Zwei Jahre nach seinem Erfolg in Hollywood wurde Guinness zum Ritter geschlagen.

Während Lawrence Olivier, mit dem er oft wegen des ausgeprägten Sinns für Charakterrollen verglichen wurde, mal als Beau und dann wieder als jovialer New-Deal-Unternehmer zwischen beiden angelsächsischen Kulturen pendelte, war Guinness schon in seiner Jugend auf das old empire festgelegt. Seine Karriere im Kino begann er nach einem Quereinstieg aus der Werbebranche als perfekter junger Edelmann in Dickens-Verfilmungen, in „Adel verpflichtet“ spielte er gleich alle Rollen vom Schurken bis zu den acht von ihm hingemetzelten Mitgliedern der d’Ascoyne-Familie selbst. Ohnehin konnte Guinness alle möglichen Identitäten vom betrogenen Tolpatsch bis zum leidenschaftlichen Serienmörder annehmen, ohne sich dabei groß verändern zu müssen: Immer schien er die Rolle wie eine Maske überzustülpen, um darunter wieder als grübelnder Feingeist hervorzuschimmern.

Mitunter wurde ihm die perfekte Anpassungsfähigkeit allerdings zum Verhängnis: Zeitlebens hat sich Guinness dafür geschämt, bei George Lucas’ „Star Wars“-Trilogie den obersten Jedi-Ritter gespielt zu haben. Zumindest soll er Lucas persönlich um einen frühen Tod des Obi-Wan Kenobi gebeten haben, um schnellstmöglich aus dem Mainstream des Science-Fiction herauszukommen. Trotzdem wird er es noch als Ehre empfunden haben, dass sich Ewan MacGregor vor zwei Jahren bei der Fortsetzung von „Star Wars“ auf ihn berufen hat – und wenig später die Neuauflage genauso verdammte. Vielleicht hat Guinness das Debakel aber auch mit seinem eigenen Motto verwunden: „Scheitern hat tausend Erklärungen, für Erfolg braucht man nicht eine einzige.“ Nach seinem Tod am Samstag wird man Guinness wegen seiner Erfolge in Erinnerung behalten. Und wegen seines Blicks. HARALD FRICKE

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