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Bärbeißiger Autodidakt

■ Aus der Reihe alte Kubaner: Der 54-jährige Jungspund und Son-Cowboy Eliades Ochoa zu Gast in der Fabrik

Den großen Cowboyhut nimmt er nur zum Schlafen ab und erst wenn seine Gitarre verstummt, ist definitiv Schluß in der Casa de la Trova, dem Mekka des Son in Kuba. Hier in Santiago de Cuba haben sie alle begonnen, ob Compay Segundo oder Ibrahím Ferrer, doch die Numero Uno ist Eliades Ochoa, den alle als Autorität akzeptieren. Sein Rat ist gefragt, und den 54jährigen bei Aufnahmen im Studio begrüßen zu dürfen, gilt als gutes Omen für den Erfolg. Ochoa hat mit seinem genialen Gitarrenspiel schon dem grammygekrönten Buena Vista Social Club den Stempel aufgedrückt und auch sein letztes Album Sublime Ilusion wurde dafür nominiert. Internationale Preise sind dem eigenwilligen Musiker allerdings gar nicht so wichtig. Was für ihn zählt, ist Musik. „Der Son ist für mich so etwas wie eine Bluttransfusion für jemanden, der an Blutarmut leidet. Der Son ist das Leben an sich, ihn trage ich im Blut“, sagt der etwas bärbeissige Ochoa.

Ihm geht es weniger um den persönlichen Erfolg als um die Musik. Beim Buena Vista Social Club hielt er sich im Hintergrund, gönnte den Erfolg den anderen. Musikalisch kann allerdings kaum einer aus der alten Garde dem Jungspund das Wasser reichen. An seiner Gitarre, die dank doppelter D- und G-Saite manchmal wie ein kubanisches tres klingt, im nächsten Augenblick wie eine normale Gitarre, ist Ochoa unschlagbar. Gitarristen mit klassischer Ausbildung verneigen sich vor dem Autodidakten, der mit seinen Improvisationen auch dem abgebrühtesten Sonero seiner Heimat noch ein Schnalzen entlockt. Live ist das musikalische Schwergewicht besser als der älteste Rum der Insel und ein wandelndes Archiv in Sachen Son, Guaracha und Guajira. Seine relativ hohe, kaum verwechselbare Stimme ist weniger glatt als jene von Ibrahím Ferrer, und seine Arrangements alter Son-Klassiker bergen immer eine kleine Überraschung. Im Repertoire des traditionsreichen Cuarteto Patria, dem Ochoa seit 20 Jahren vorsteht, finden sich zahlreiche weniger bekannte Perlen, wie das von einem hinreißenden Trompetenset getragene „Pintate los labios Maria“ oder „Mi Guajirita“. Sein Markenzeichen, der Cowboyhut, weist ihn als waschechten Guajiro aus. In seiner Heimatstadt Songo La Maya, einem Kaff vierzig Kilometer von Santiago de Cuba entfernt, wo er im zarten Alter von acht Jahren zum ersten mal auf der Strasse auftrat, erholt er sich vom Tourstress.

Nach Havanna zu ziehen, wie viele seiner Kollegen, kommt für Lokalpatriot Ochoa nicht in Frage: „Gute Arbeit hat einen Klang und sollte sich herumsprechen“. Mit dieser Devise ist der eigensinnige Son-Cowboy bisher gut gefahren und davon kann man sich in der Fabrik überzeugen. Delicioso.

Knut Henkel

Eliades Ochoa y el Cuarteto Patria, Mittwoch, 16. August, 21 Uhr, Fabrik

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