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Der Bewag droht feindliche Übernahme

Drei Jahre nach der Privatisierung will der Hamburger Stromkonzern HEW die Bewag schlucken. Senat ist „völlig überrascht“ und schließt juristische Schritte nicht aus. Gewerkschaft befürchtet Abbau von weiteren 1.400 Stellen

Dem Berliner Traditionsunternehmen Bewag droht die Abwicklung. Drei Jahre nach der Privatisierung haben die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) angekündigt, die Mehrheit beim Berliner Stromversorger übernehmen zu wollen. Die HEW wollen 49 Prozent der Anteile vom neuen Stromriesen E.ON erwerben. Zusätzlich sollen weitere Anteile aus Streubesitz übernommen werdene. „Wir sind von dieser Nachricht völlig überrascht worden“, sagte gestern Finanzsenator Peter Kurth (CDU) auf einer eilig zusammengerufenen Pressekonferenz. „Die Bewag muss ein wettbewerbsfähiger Energieproduzent bleiben und darf nicht zur Verkaufsagentur für auswärtigen Strom werden.“

Diese Gefahr ist durchaus realistisch. Der HEW-Coup sei eine feindliche Übernahme, die große Risiken für Berlin bedeute, kritisierte gestern der ÖTV-Landesvize Ernst-Otto Kock. „Wir befürchten, dass die Bewag-Kraftwerke dann nur noch als Wärme- und nicht mehr als Stromkraftwerke genutzt werden.“ Der Berliner Strommarkt würde dann aus norddeutschen Überkapazitäten gespeist. Zusätzlich zum ohnehin deutlichen Arbeitsplatzabbau bei der Bewag befürchtet Kock den Wegfall weiterer 1.400 Stellen in den Verwaltungen und den Kraftwerken. Die Bewag hat derzeit rund 6.000 Beschäftigte. Jetzt, so Kock weiter, sei der Senat am Zug. Das Land Berlin müsse alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, den Verkauf der Bewag an die HEW zu verhindern.

1997 hatte der Senat die Bewag privatisiert. Damals hatte das Land seine Anteile für 2,9 Milliardern Mark an ein deutsch-amerikanisches Konsortium aus Southern Energy, PreussenElektra (Veba) und Bayernwerk (Viag) verkauft. Mittlerweile sind Veba und Viag zum neuen Stromriesen E.ON fusioniert. Das Kartellamt hat dafür zur Bedingung gemacht, dass sich E.ON von seinen Bewag-Anteilen trennt. Im Kaufvertrag steht allerdings, dass PreussenElektra und Viag ihre Anteile an der Bewag 20 Jahre halten müssen. Das Land hatte zudem darauf bestanden, dass die Bewag ein eigenständiges Unternehmen bleibt.

Finanzsenator Kurth forderte E.ON gestern auf, die Verpflichtungen aus dem Privatisierungsvertrag zu erfüllen. Ein Verkauf der Anteile bedürfe der Zustimmung des Landes. Zudem müsse E.ON ein Konzept vorlegen, wie die Bewag als eigenständiges Unternehmen erhalten bleiben kann. Die bisherigen Ankündigungen reichten nicht aus. Auch juristische Schritte schloss Kurth nicht aus. Bei E.ON hieß es allerdings, dass man alle rechtlichen Konsequenzen geprüft habe und ein Verkauf der Anteile unstrittig sei.

Das sieht der Dritte im Bunde, Southern Energy, anders. Der US-Konzern hat bereits Widerstand gegen die geplante Mehrheitsübernahme der Bewag durch die HEW angekündigt. Dazu werde man keine Zustimmung geben, sagte gestern ein Firmensprecher.

Der grüne Abgeordnete Burkhard Müller-Schoenau kritisierte, allen Ankündigungen zum Trotz erwiesen sich die Zusicherungen des Privatisierungsvertrages als „windelweich und ohne echte Bindungskraft“. Die PDS forderte eine Sondersitzung des parlamentarischen Vermögensausschusses. Eine derart gravierende Änderung des Privatisierungsvertrages bedürfe nicht nur der Zustimmung des Senats, sondern auch der des Abgeordnetenhauses, so PDS-Fraktionschef Harald Wolf.

Die Anleger werteten die Zukunftsaussichten der Bewag als eigenständiges Unternehmen indes skeptisch. Bis gestern Nachmittag sank die Bewag-Aktie im Xetra-Handel um 6,8 Prozent. RICHARD ROTHER

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