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Härte gegen Härtefall

■ SPD-Innenminister beharrt auf Abschiebung von Anschlagsopfer

Schleswig-Holstein galt bisher als vorbildlich: Anders als Hamburg hat das nördlichste Bundesland eine Härtefallkommission für ausreisepflichtige AusländerInnen. Mittlerweile aber hegen einzelne Mitglieder dieses Gremiums den Verdacht, der rot-grünen Regierung nur als Feigenblatt zu dienen. Sie hatten dem Innenministerium empfohlen, dem Nigerianer Victor Atoe, der 1996 den Anschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafentraße schwer verletzt überlebte, zur medizinischen Behandlung den Aufenthalt zu gewähren. Innenminister Klaus Buß (SPD) jedoch beharrt darauf, dass Atoe nach Nigeria ausreisen muss.

Die übrigen Überlebenden der Brandnacht haben ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland. Atoe hingegen war unmittelbar, nachdem er damals das Krankenhaus verlassen hatte, nach Nigeria abgeschoben worden. Als er im Frühjahr 1999 wieder einreiste, bekam er statt Aufenthaltspapieren Handschellen verpasst und landete in Abschiebehaft. Seine damalige Anwältin setzte gerichtlich durch, dass er zumindest eine dringende Operation am damals verletzten Bein durchführen lassen konnte. Für die anschließenden Reha-Maßnahmen bekam er eine Duldung.

Die jedoch ist bis Oktober befris-tet. Das Lübecker Flüchtlingsfo-rum wandte sich für Atoe an die Härtefallkommission – unterstützt von der Bundestagsabgeordneten Angelika Beer, dem Propst der katholischen Kirche Lübeck sowie dem Präsidenten des Lübecker Landgerichts. Die Kommission bedauerte in ihrem Schreiben an den Innenminister, dass Atoe kein dauerhaftes Bleiberecht bekommen hat. Sie empfahl, dem Nigerianer zumindest den Aufenthalt für eine angemessene medizinische Behandlung zu gewähren.

Buß jedoch hält einen Aufenthalt „aus humanitären Gründen“ für rechtlich nicht möglich. Im Übrigen könne Atoe in Nigeria „durch sein Verhalten das Risiko von Spätfolgen ganz erheblich verringern oder sogar ausschalten“. Damit wies er die Bitte der Härtefallkommission ab – in der auch MitarbeiterInnen seines eigenen Ministeriums sitzen und sich für Atoe stark gemacht hatten. Elke Spanner

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