: Die frostige Distanz der Kulturszene zur Kultur-GmbH kmb taut einfach nicht auf. Denn der Senat ist nur an finanzieller Flurbereinigung interessiert, und die kmb ist sein Werkzeug, meint Brigitte Schulte-Hofkrüger
Seit die große Koalition 1995 sich als oberstes Politikziel die Umsetzung ihres Sanierungsprogramms auf die Fahnen geschrieben hat, wird in Bremen so richtig investiert: Der Hemelinger Tunnel und der Space Park sind die Baustellen für die Sanierung unserer Hansestadt! Für den Städtetourismus wurden in den Umbau des Musical-Theaters 54,5 Millionen Mark investiert, und auch die Bremer Kultureinrichtungen gehen nicht leer aus: Das Überseemuseum bekommt ein neues Foyer, das Focke-Museum ein neues Magazin, und die Zentralbibliothek zieht ins Polizeihaus. Was gebaut wird, ist sichtbar und schon allein dadurch offenbar ein Erfolg.
„Sanierungs“-Programm heißt aber nicht nur Investition, sondern auch Kürzung der konsumtiven Ausgaben. Und damit sind wir schon beim entscheidenden Problem: von Baulichkeiten abgesehen zählt Kulturförderung per definitionem zu den konsumtiven Ausgaben, die bis 2005 um 30 Prozent gekürzt werden sollen. Auch der zuständige Kultursenator Bernt Schulte (CDU) akzeptiert, dass der Kulturetat den Sanierungsbemühungen Bremens nicht im Wege stehen darf. Seine Strategie lautet: Umbau der Kulturlandschaft, um Einspareffekte zu erzielen.
Mit drei aufeinander bezogenen Maßnahmen soll dies geschehen: der Stärkung der Controllinggesellschaft kultur.management.bremen (kmb), der Reform der Kulturverwaltung und einem Kulturentwicklungsplan. Sollte die kmb zunächst eine Serviceeinrichtung zur Unterstützung der kulturellen Einrichtungen für Marketing, Kontraktmanagement und Zertifizierung sein und das Kulturressort bei seinen Förderaktivitäten unterstützen, soll sie jetzt, mehr als ein Jahr nach ihrer Gründung, als beliehener Unternehmer hoheitlicher Zuwendungsgeber und Finanzcontroller aller Einrichtungen über 200.000 Mark Zuschussbetrag werden. Für den Kleinkram (das heißt die Einrichtungen unter 200.000 Mark Fördersumme), die ministeriellen Aufgaben sowie ein bisschen Gesamtplanung wäre dann noch die Kulturverwaltung zuständig.
Das gibt Jubel bei der Stammtischfraktion, die darin die Chance sieht, die festgemisteten Strukturen in der Kulturverwaltung auszuhebeln. Bei den Kultureinrichtungen stößt das Vorgehen des Kultursenators in Sachen Beleihung der kmb auf massive Kritik, weil die Erfahrungen mit der kmb nicht gerade die besten waren.
So richtig ist es der kmb nämlich nicht gelungen, gegenüber der Kulturszene deutlich zu machen, in welcher Weise ihre „Serviceleistungen“ nützlich sein könnten. Im Gegenteil: Offensives Auftreten der kmb auf dem Hintergrund einer ungeklärten Rechtslage, unausgewiesene Datenerhebungen aus den Einrichtungen, Beratungsangebote und Arbeitskreise mit zweifelhaften Ergebnissen, Rivalitäten mit der Kulturbehörde – all das schafft keine Vertrauensbasis. Verschärft wird die Situation durch die Tatsache, dass die kmb aus dem sowieso schon zu knappen Kulturetat finanziert werden muss.
Jetzt rückt sie beim „Umbau des Kulturbereichs“ in den Mittelpunkt, während zugleich die Kulturverwaltung in der Öffentlichkeit als nicht reformierbar dargestellt und dadurch demontiert wird. Dass mit der „Entmachtung“ der öffentlichen Kulturverwaltung eine dem Trend der Zeit gehorchende Privatisierung der Kulturförderung etabliert wird, scheint bei der Zielstrebigkeit des Vorgehens kein Zufall, sondern Absicht zu sein.
Die „genialste“ Lösung ist die Übernahme des Musicals
Bei aller Kritik an verkrusteten Behördenstrukturen in der Vergangenheit ist für die Kultureinrichtungen unumstritten, dass sie eine reorganisierte, fachlich strukturierte, motivierte Kulturverwaltung als Ansprechpartner brauchen. Aus welchen kulturpolitischen Gründen eine outgesourcte GmbH ein besseres Instrument der Kulturföderung sein soll, bleibt ungeklärt.
Genauso ungeklärt wie die willkürliche Aufteilung der Kulturförderung in Zuschussempfänger über und unter 200.000 Mark sowie die Frage der fachlichen Qualifikation der Mitarbeiter der kmb. Und woran bemisst sich überhaupt der „Erfolg“ der Arbeit der kultur.management.bremen.? Ihre Protagonisten rühmen zuallererst den kompetenten Umgang mit Zahlen. Unterstellt, Finanz- und Controllingkompetenz ist bei der kmb eher vorhanden als bei der Kulturbehörde, so lässt sich nur ein kulturpolitischer Schluss daraus ziehen: Die kmb gehört als Abteilung in eine funktionierende Kulturverwaltung. Man muss kein Wahrsager sein, um zu wissen, dass jede Einrichtung ihrer inneren Logik gemäß eine Eigendynamik entwickelt. Selbstverständnis, Personalstruktur und privatrechtlicher Status der kmb machen deutlich, dass ein solches Management-Modell hauptsächlich für eine finanzpolitische Steuerung nützlich ist.
Die frostige Distanz der Kulturszene zur kmb bekommt ständig neue Nahrung durch zwei Leerstellen der Kulturpolitik: Anstelle des bisherigen jährlichen Antrags- und Bewilligungsverfahrens wurden den Einrichtungen verlässliche Kontrakte mit einer mehrjährigen Laufzeit zugesagt. Planungssicherheit hieß das Zauberwort. Nur wann, wie und ob das geschehen soll, weiß heute niemand.
Leerstelle Nummer zwei ist der Kulturentwicklungsplan, der bisher noch nicht vorliegt, während die Beleihung der kmb bereits fix und fertig eingetütet zu sein scheint. Die bisherigen Kulturentwicklungsgespräche, zu denen der Kultursenator eingeladen hatte, ließen eine richtige Freude nicht aufkommen: Es wird zwar über dieselbe Sache geredet, doch ob man auch dasselbe meint, bleibt offen. Unklar ist nach wie vor, ob ein inhaltlicher Diskussionsprozess mit offenem Ausgang überhaupt möglich ist oder ob nicht die so genannte Anpassung des bisherigen Eckwertes an die mittelfristige Finanzplanung mit der geplanten Kürzung von 30 Prozent das Raster ist, in dem geplant werden kann. An Gesprächen dieser Art haben die Kultureinrichtungen verständlicherweise kein Interesse.
Zum jetzigen Zeitpunkt die Beleihung der kmb in die Wege zu leiten, spricht entweder für eine gehörige Portion politischer Naivität oder dafür, dass es sich bei der Auseinandersetzung über den „Umbau der Kulturlandschaft“ um eine reine Strategie der finanziellen Flurbereinigung handelt, die mit inhaltlicher Kulturpolitik nichts mehr zu tun hat. Kommen wir wieder zurück zum Ausgangspunkt. Wie lautete das Credo der bremischen Sanierungspolitiker? Investitionen rauf! Konsumtive Ausgaben runter! Aktuellstes Beispiel dieser erfolgreichen „Investitions“-Strategie dürfte wohl das Musical-Theater sein, kein Anlass zur Schadenfreude angesichts der in Gefahr stehenden 54,5 Millionen Mark (plus acht Millionen Mark als Darlehen in Aussicht gestellter) öffentlicher Gelder. Eigentlich verwunderlich, dass noch keiner auf die „genialste“ aller Lösungen gekommen ist, die da heißt: Anhebung des bremischen Kulturhaushalt auf die vom Deutschen Städtetag seit langem geforderten drei Prozent von Gesamtetat und Übernahme des Musical-Theaters als städtische Kultureinrichtung. Dann könnte jeder Sitzplatz am Richtweg genauso subventioniert werden wie beim Bremer Theater und 200 Arbeitsplätze wären gerettet! Prima Idee, nicht wahr!
Die Autorin arbeitet in der projektgruppe neue musik und ist Sprecherin des Kulturrates Bremen.
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