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Netanjahu bereitet sein politisches Comeback vor

Die orthodoxe Schas-Partei will bei Neuwahlen in Israel den ehemaligen Ministerpräsidenten unterstützen. Doch noch ist Scharon Likud-Chef

JERUSALEM taz ■ Die drittgrößte Partei Israels, die sephardisch-orthodoxe Schas, hat klargemacht, dass sie im Falle von Neuwahlen einem Likud-Kandidaten Benjamin Netanjahu den Vorzug vor Ministerpräsident Ehud Barak geben würde. Dies sagte Rabbiner Ovadia Josef, geistlicher Mentor von Schas, in einem Interview gegenüber dem Massenblatt Maariv. Vorraussetzung ist, dass Netanjahu und nicht der derzeitige Likud-Chef Ariel Scharon kandidiert.

„Barak macht Hexenjagd auf die Schas, hat ihre Vertreter aus den Ministerien hinausgeworfen. Ich sehe keine Möglichkeit, in die Koalition zurückzukehren“, so Josef. „Barak ist kein Führer, er hört auf niemanden. Mit Netanjahu konnten wir alles lösen. Sollten Wahlen stattfinden, werden wir Netanjahu unterstützen und Barak schlagen.“

Im Wahlkampf vom Frühjahr 1999 war es umgekehrt: Rabbi Josef hatte seinen Schäfchen nahe gelegt, für den „Ein Israel“-Kandidaten Barak zu stimmen und den im Dezember 1998 gestürzten Netanjahu fallen zu lassen – mit Erfolg. Barak gewann die Direktwahl mit 56 Prozent und dankte es der Schas durch ihre Einbeziehung in die Koalition.

Doch jetzt besagen Meinungsumfragen, dass Netanjahus Stern im Steigen ist: Träte er gegen Barak an, könnte es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen kommen, während Scharon gegenüber Barak um rund 20 Prozent zurückliegt. Dennoch bleibt abzuwarten, ob es Barak in den nächsten zwei Monaten gelingt, ein Friedensabkommen mit den Palästinensern unter Dach und Fach zu bringen. Die Friedenssehnsucht ist offenbar groß: 75 Prozent der Israelis hofften im Juli, dass Barak mit einem Friedensvertrag aus Camp David zurückkommt. Es scheint, dass die Bevölkerung Barak dafür bestrafen würde, wenn seine Friedensbemühungen scheitern. Anders lässt sich die plötzliche Hinwendung zu Netanjahu – einem zuvor als Scharlatan und Lügner decouvrierten Politiker – nicht erklären.

Ende August will die Staatsanwalt ihre Entscheidung veröffentlichen, ob Netanjahu wegen Bestechung und Unterschlagung vor Gericht gestellt wird; er und seine Frau Sara waren monatelang polizeilich vernommen worden, skandalöse Enthüllungen über persönliche Bereicherungen während seiner Amtszeit hatten fette Schlagzeilen gemacht. Siegessicher und arrogant bereitet er dennoch sein politisches Comeback vor.

Letzter Woche traf Netanjahu, der derzeit nicht einmal Abgeordneter ist, unter geschickt gesteuerter Medienbeteiligung den Chef der Nationalreligiösen Partei, Jitzhak Levy und zuvor den Schas-Vorsitzenden Eli Jischai – zwei der Parteiführer, die wegen Camp David aus der Koalition ausgetreten waren.

Im Likud sind die Meinungen über eine Rückkehr Netanjahus in die Politik geteilt. Die einen bezichtigen ihn, Scharons Position zu unterwandern und unnötige Spannungen im nationalen Lager zu schaffen. Er versuche die Früchte zu ernten, die eigentlich Scharon gebührten – nachdem ein Likud- Kandidat Präsident wurde und die Opposition erste Erfolge bei der Abstimmung über die Knessetauflösung erzielte. Andere indes hoffen auf Netanjahu wie auf den Messias, scheint er doch bessere Chancen als Scharon zu haben, Barak in Wahlen zu schlagen. Er werde mit „offenen Armen“ empfangen werden, tönte Limor Livnat, einst eine seiner schärfsten Kritikerinnen. Es scheint opportun, sich für den Fall eines Netanjahu-Comebacks schon mal Spitzenpositionen zu sichern. ANNE PONGER

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