: Theater bis die Marsch bebt
Seit 28 Jahren in Wedel: Hannes Grabaus Theaterschiff Batavia ■ Von Annette Stiekele
Der Mann muss verrückt sein, ist der erste Gedanke, wenn man erfährt, dass da einer ein Theaterschiff betreibt. Auch nach fast dreißig Jahren bekommen die Leute große Augen, wenn sie von Hannes Grabau und seiner Batavia hören. In Wedel liegt der legendenumrankte Kahn behäbig in einer schilfbewachsenen Marschwiese im Flüßchen Aue. Strenges Naturschutzgebiet beginnt hier. Die Schiffsfenster geben den Blick frei auf weidende Schafe und gepflegte Einfamilienhäuser.
Die Geschichte des Schiffs ist auch die Lebensgeschichte ihres „Käpt'ns“, wie er überall genannt wird. 1940 in Magdeburg geboren, lernte Grabau zunächst das Dekorateurshandwerk, fuhr fünf Jahre lang zur See, um dann doch zurück an Land in die Werkstätten der Hamburgischen Staatsoper zu gehen. Nebenbei fand er die Zeit, ein Kindertheater aufzubauen und die technische Leitung des Kellertheaters zu übernehmen. Doch die Seefahrt ließ ihn auch nicht recht los.
1972 stieß er auf das abgetakelte Flusskanonenboot Batavia, 1892 in Stettin gebaut. Er kaufte es und baute es zunächst als Hausboot um.
Um das Schiff zu halten, gründete er den Theaterbetrieb. 28 Jahre Arbeit als Theaterdirektor, Regisseur, Schauspieler, Gastronom, und unzählige Stunden der Renovierung liegen heute hinter ihm. Die Stadt spendierte gerade mal eine neue Beleuchtungsanlage. Und so muss sich der Betrieb mit Theater-, Kabarett-, Musik- und Filmvorführungen, Bewirtung und Vermietung an Gesellschaften selber tragen. Heute ist das Schiff weit über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannt und stets zu 85 Prozent ausgelastet.
Viele namhafte Künstler haben hier ohne Gage begonnen, darunter Helga Feddersen, Marius Müller-Westernhagen oder das Kabarett-Duo Alma Hoppe. Im Winter gibt es ein neues Kindertheaterstück und gehobene Unterhaltung mit Dinner for One – hochdeutsch und platt – für die Erwachsenen. Grabau hat aber auch schon mal einen schwierigen Hildesheimer, Das Nachtstück aufgeführt.
Hinzu kommen Musikabende mit unterschiedlicher Ausrichtung, von Rock, Folk, über Jazz bis zu sogenannter Weltmusik, auch Mitglieder des Philharmonieorchesters der Hamburgischen Staatsoper sind hier schon aufgetreten.
Ein Hauch von Nostalgie weht den Theaterbesucher im Rumpf des Schiffes an. Hier findet er eine kleine ebenerdige Bühne und 70 vornehm mit rotem Samt gepolsterte Sessel vor, gestiftet von der Hamburgischen Staatsoper. Oben trifft sich das bunt gemischte Publikum in der gemütlichen hölzernen Kneipe.
Das „Kino unter 100.000 Sternen“, wie Grabau es liebevoll nennt, findet an schönen Sommerabenden vor dem Schiff an Land statt. Nicht selten machen sich ganze Menschenzüge mit Klappstühlen und Decken auf in die Marsch. „Das gibt es doch nur hier, dass in einem Kultfilm wie Easy Rider Peter Fonda dem Sonnenuntergang entgegenfährt und gleichzeitig die Sonne in der Aue versinkt. Das ist ein Feeling, da bebt die Marsch“, schwärmt der Käpt'n. Ein Theaterschiff zu leiten genügte dem umtriebigen Seemann nicht. Über 20 Theaterstücke hat Grabau selbst geschrieben und auf der Batavia aufgeführt. Seine Kindertheaterstücke Lolli Molli oder Max & Moritz sind legendär. „Viele Besucher, die der Uraufführung beiwohnten, kommen heute schon mit ihren eigenen Kindern“, erzählt Grabau nicht ohne Stolz. Max & Moritz wurde sogar in Houston/Texas aufgeführt.
„Hier wird jeder betüddelt. Wir kümmern uns um die Leute, egal ob Künstler oder Gäste“, sagt Grabau, und wer könnte ihm das nicht abnehmen. Vor Unwettern hat er keine Angst: „Wenn doch mal ein Sturm kommt, machen wir die Torpedos klar und es gibt eine Breitseite.“
Theaterschiff Batavia, Brooksdamm, Wedel, Tel. 04103/ 85836, www.batavia-wedel.de, Öffnungszeiten: tägl. ab 18 Uhr, So ab 15 Uhr, Vorverkauf ab 18 Uhr an Bord, zur Zeit läuft jeden Sonntag um 16 Uhr Pippi Langstrumpf, sowie freitags bis sonntags Freilichtkino bei freiem Eintritt
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