BSAG: Breiter, hipper auf die Schiene

■ Neue Tramwagen braucht das Land: 35 Zentimeter breiter als bisher und mit mehr Platz für mehr Passagiere / Dafür muss jetzt das gesamte Gleisnetz in Bremen ausgetauscht werden

Wenn Bremen wirklich nur ein „Dorf mit Straßenbahn“ wäre, wie man so nett spottet, hätte Georg Drechsler nicht viel zu tun. Jetzt liegt dem Chef der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) ein frisches Programm vor, das die Arbeit für die nächsten zehn Jahre auflistet: Zig Baumaßnahmen, die die BSAG näher an Drechslers Zukunftsvision bringen. Und die sieht so aus: Keine Pflastersteine mehr zwischen den Gleisen. Und exakt 35 Zentimeter mehr Platz zwischen den beiden Gleis-Paaren.

Maßnahme Nummer eins soll vor allem lästige Wartungsarbeiten verringern. Denn die guten alten Pflastersteine sacken unter der Achslast von Lkw-Trossen regelmäßig ab. Die Folge: Wieder und wieder muss das Pflaster ausgebessert werden. „Deswegen machen wir jetzt Nägel mit Köpfen“, meint Drechsler, der das Pflaster nach und nach durch einen neu entwickelten „Guss-Asphalt“ ersetzen will. Der sei stabiler, wirtschaftlicher und deutlich leiser, bilanzieren die Straßenbahner freudig.

Maßnahme Nummer zwei wird peu a peu mit dem Guss-Asphalt umgesetzt: Der Abstand zwischen den Schienen-Paaren wird um 35 Zentimeter breiter, um Platz für die neue Generation der BSAG-Wagen zu schaffen. Die Tram der Zukunft wächst entsprechend in die Breite und soll vier statt drei Sitze nebeneinander bieten sowie mehr Raum für Räder und Kinderwagen.

Von heute auf morgen wird das allerdings nichts mit der Zukunftsvision. Um 70 Kilometer Schienen geht es in Bremen. Jedes Jahr stehen acht Kilometer Verbesserungen an. „Ganz in Ruhe, Strecke für Strecke“, so Drechsler soll das Gleisnetz in 15 bis 20 Jahren erneuert werden. Immerhin: Ein Teil der Strecken war ohnehin schon breit genug. Inzwischen ist die Hälfte auf der richtigen Spur.

Diese langfristige Planung soll vor allem Geld sparen. Nur wenn ein alter Tramwagen ausgewechselt wird, kommt eine breite Bahn. Nur wenn die Straße sowieso aufgerissen wird, werden die Schienen verlegt. Deswegen stimmt die BSAG in den nächsten Jahren jede Baustelle mit dem Amt für Straßen und Verkehr ab. Zehn bis zwölf Millionen Mark jährlich sind für Sanierungsarbeiten im Topf der BSAG. Extra-Kosten für das Gleise-Verlegen soll es nicht geben.

2003 könnte es in Bremen dann erstmals so weit sein: Die 60 altgedienten Trams mit 30 Jahren auf dem Puckel werden sukzessive ausgemustert. Die Linie 1 soll als Erste mit den neuen breiten Wagen von Huchting nach Osterholz loszuckeln.

Auch der Fahrgast-Beirat in Bremen begrüßt die Zukunft mit den breiten Straßenbahnen. „Mehr Beinfreiheit und Platz für Räder stehen schon lange auf unserer Wunschliste“, erklärt Sprecher Peter Müller. Aus reinen Komfort-Gründen kauft die BSAG die neuen Trams allerdings nicht – sie will mehr Menschen durch Bremen kutschieren. Vor allem auf den neuen Strecken wie der Linie 6 (Flughafen – Uni) steigen inzwischen rund 50 Prozent mehr Fahrgäste ein. Statt 8.000 wie vor Jahren muss die BSAG dort täglich 12.000 Tramnutzer bewegen. Breite Trams schafften rund 30 Prozent mehr Kapazität, rechnet Drechsler, ohne zusätzliche Wagen oder längere Haltestellenzonen. Außerdem will die BSAG in ein paar Jahren auf den DB-Gleisen die Straßenbahnen nach Delmenhorst und Nordenham steuern. Auch dafür braucht es breitere Züge: „Sonst kommen wir nicht an die Bahnsteige ran“, meint Drechsler.

Ganz ungetrübt ist die Zustimmung zu den breiten Wagen nicht: Wenn die BSAG mehr Fahrgäste in einem Zug unterbringen will, sieht Verkehrsexperte Müller die Gefahr, dass die „BSAG in einem nächsten Schritt ihren Takt ausdünnt.“ Der Sparzwang sei enorm – „da fragt man sich, wo als Nächstes eingespart wird.“ pipe