: Eine bremische Liebesgeschichte
■ Eine Frau, noch 'ne Frau, ein Mann, und am Ende ist jemand schwanger: Heute Abend zeigt das Erste den von Radio Bremen produzierten Fernsehfilm „Lieb mich!
Frau eins: „Ich steh nicht auf Männer!“ Frau zwei: „Wie is'n das mit Frauen?“ Mann: „Liegt's an mir?“ Mit diesen drei Kernsätzen ist die Ausgangssituation des Fernsehspiels „Lieb mich!“ von Maris Pfeiffer schon eingegrenzt. Die Autorin und Regisseurin kommt gleich zur Sache: Weder in den Dialogen noch in der Wahl des Titels hat sie große literarische Ambitionen (ihr Kinodebüt hieß „Küss mich!“), aber wenn es hart auf hart kommt, redet wohl kaum jemand wie in Rohmer-Filmen. Und Maris Pfeiffer will uns hier eine ganz alltägliche Liebesgeschichte erzählen. Das Banale und das Existenzielle liegen da nah beieinander, und der Film findet für beides die richtigen Bilder und Töne.
Kathrin trifft auf Elena, sie beginnen eine Affäre, ihr Mann kommt dahinter, alle leiden und eine(r) verliert am Schluss! So laufen solche Filme ab, und dieses Szenario entwirft im Film selbst die Lehrerin Elena für die Hausfrau Kathrin auch nach ihrer ersten Liebensnacht in vier bis fünf lakonischen Sätzen. Und hier stutzt man zum ersten Mal: Wenn es so weitergehen würde, könnte man sich die restlichen 70 Minuten des Films schenken! Wir wüssten ja schon alles!
Doch nach diesem gewagten Gambit fällt einem schnell auf, welche dramaturgischen Klischees dieser Film sonst noch geschickt umschifft: Um das „Coming-out“ von Kathrin wird nicht (wie in fast allen anderen Filmen über lesbische Lieben) viel Aufhebens gemacht, die Frauen müssen sich auch nicht mit den Ressentiments ihrer Mitmen-schen herumschlagen, und es gibt die simple Typisierung mit Verführer(in), Objekt der Begierde und Betroge-nem nicht. Ehemann Peter wird auch nicht zum Macho und Lesbenhasser: Die drei sind und bleiben zugleich ganz normale und komplexe Individuen, die versuchen, halbwegs anständig eine Lebenskrise zu bewältigen. Der Film ergreift dabei keinerlei Partei und sinkt auch nie ins Melodram ab.
Maris Pfeiffer setzt mehr auf die Bilder als auf die Dialoge, und dies ist im Fernsehen ja eher unüblich. Blicke erzählen hier mehr als die betont kunstlos gehaltenen Worte. Wie die Protagonisten zueinander stehen, welche Wetterlage gerade in der Liebe herrscht, wird durch schön inszenierte Blickfolgen und kleine Gesten gezeigt. Die SchauspielerInnen agieren sehr natürlich und dadurch glaubwürdig: In ihrer behutsamen Führung liegt wohl das große Talent dieser jungen Filmemacherin.
Es war auch klug von Maris Pfeiffer, nur mit unbekannten Gesichtern zu arbeiten, die für den Bildschirm noch unverbraucht sind. So intensiv und authentisch können SchauspielerInnen im Fernsehen nur wirken, wenn man sie vorher noch nicht als FernsehkommissarInnen, Serienmamas oder TraumschiffpassagierInnen gesehen hat.
Ein bisschen zu konstruiert wirkt dagegen das Ende: Hier merkt man die Anstrengung, mit der Maris Pfeiffer unbedingt die Standardlösungen vermeiden wollte.
Immerhin ist die Lösung überraschend, aber im letzten Viertel ruckt dann doch die Plotmaschine, deren Arbeit Maris Pfeiffer bis dahin so geschickt kaschiert hat, mit viel Geklapper an. Dafür ist das Happy End hoch ironisch (viel zu lachen gibt es sonst in diesem Film nicht), und weil „Lieb mich!“ so auch mit einem sehr stimmigen Schlussbild endet, verzeiht man dem Film das geschönte Ende.
Zudem sagt die Regisseurin, sie habe hier die wahre Geschichte einer Freundin erzählt, und vielleicht hat ja tatsächlich das Leben die Pointe in das Drehbuch für diesen Filme geschrieben, dass ausgerechnet die lesbische Liebhaberin schwanger wird.
Wilfried Hippen
„Lieb mich!“ läuft heute, Mittwoch, 16. August, um 20.15 Uhr im Ersten
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