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Zurück zur Volkspolizei

Polizeireform in Brandenburg: CDU-Innenminister will zurück zur alten territorialen Struktur und entsorgt dabei eine bürgerbewegte Polizeichefin

von OTTO DIEDERICHS

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ist ein Macher. Wo Schönbohm hinkommt, packt er zu. So auch bei der Neuorganisation der Brandenburger Polizei. Beginnen sollte diese eigentlich schon Mitte 1998. Aber unter Alwin Ziel (SPD), seinem Vorgänger, kam sie nicht vom Fleck. Seit der Ex-General im Herbst 1999 ins Potsdamer Innenministerium einzog, ist das anders.

Umgehend wies Schönbohm seine Polizeipräsidenten an, bis Mitte 2001 Vorschläge für Veränderungen in ihren Zuständigkeitsbereichen vorzulegen. Doch der Zeitplan ist längst überholt, wenn alles nach Plan verläuft, könnte die Neuordnung dann bereits beginnen. Auf der ministeriellen Ebene nämlich wurde ein Beirat eingesetzt, um grundlegende Überlegungen für eine generelle Neuorganisation der Landespolizei zu erarbeiten.

Den Koalitionsvereinbarungen von SPD und CDU entspricht dieses Vorgehen nicht so recht. Dort heißt es, die Reformen seien gemeinsam „mit den Betroffenen“ zu erarbeiten, wie Andreas Bernig von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) beklagt. Doch eine Reform von oben entspricht Schönbohm mehr.

Seit Anfang Juli liegen nun verschiedene Vorschläge des Polizeibeirats auf dem Tisch. Zurzeit zieht sich Schönbohm noch darauf zurück, die einzelnen Modelle prüfen und die Kosten durchrechnen zu müssen. Im September will er dann entscheiden. Dass diese Entscheidung jedoch längst für das „Modell 2“ gefallen ist, daran zweifelt in der Polizei niemand. Nach diesem Modell soll es statt der jetzigen Polizeipräsidien Potsdam, Oranienburg, Eberswalde, Frankfurt (Oder) und Cottbus künftig nur noch drei Präsidien geben. Oranienburg würde zum Präsidium Potsdam kommen, dass seinerseits zwei Schutzbereiche an Cottbus abtreten müsste. Ebenfalls aufgelöst und Frankfurt (Oder) zugeschlagen würde das Präsidium Eberswalde.

Der Plan hat einige fachliche Mängel: Die Wasserschutzpolizei mit ihren zirka 300 Beamten nicht auf die einzelnen Präsidien zu verlagern, gilt unter Polizeiführern als unverständlich. Politisch allerdings ist „Modell 2“ clever: Da die Anzahl der Präsidien im Polizeiorganisationsgesetz nicht festgeschrieben ist, braucht Schönbohm bei seiner Neuordnung nicht einmal die Zustimmung des Parlaments.

Diese wäre nur notwendig, wenn er die Landeseinsatzeinheit (Lese), bei der Bereitschaftspolizei (Bepo), Sondereinheiten und das schwere technische Gerät wie Wasserwerfer und Hubschrauber zusammengefasst sind, verändert würde. Doch eine Verlagerung der Bepo an die einzelnen Präsidien käme einer Kündigung des Bund-Länder-Abkommens von 1991 gleich und würde das Land die Zuschüsse für seine Truppenpolizei kosten.

Hinsichtlich Fläche, Einwohnerzahl und Kriminalitätsbelastung wäre „Modell 2“ relativ ausgewogen. Da die neu entstehenden Zuständigkeitsgrenzen zudem fast exakt den früheren Bezirksbehörden der Volkspolizei entsprechen, besitzt der Minister gegenüber der Polizeibasis einen starken Trumpf. Mit welchen Argumenten sollte sie bestreiten, dass heute nicht funktionieren kann, was zu DDR-Zeiten mit erheblich schlechterer Ausrüstung klappte.

Mit den zwei Präsidien entfallen dort auch die Leitungsebenen. Anders als beispielsweise in Berlin bestehen die Stäbe in Brandenburg überwiegend aus PolizeihauptkommissarInnen. Sie könnten wieder im Streifendienst eingesetzt werden.

Während der GdP nun seitens ihrer Basis „der Wind ins Gesicht bläst“, hätte das Ministerium auf der Personalebene nur wenige Probleme, denn auch die Frage nach dem Verbleib von zwei überflüssig werdenden Präsidenten wäre fast gelöst. Peter Kirmße, der jetzige Polizeipräsident von Oranienburg, steht kurz vor der Rente. Bleibt nur Uta Leichsenring.

Die couragierte Polizeichefin von Eberswalde kommt aus der Bürgerbewegung und ist nicht nur innerhalb der Polizei sehr beliebt. Durch ihr engagiertes öffentliches Auftreten gegen die rechtsradikalen Umtriebe in ihrem Bereich ist sie auch weit über dessen Grenzen anerkannt. Mit dem Innenministerium allerdings liegt sie über Kreuz.

Wie es mit ihr weitergehen soll, darüber weiß der in der Polizei sonst so rege Flurfunk recht wenig zu berichten. Dass sie das Präsidium Cottbus übernehmen könnte, dessen Präsident Jürgen Lüth gerne ins Innenministerium wechseln würde, gilt als eher unwahrscheinlich. „Vielleicht“, so wird unter der Hand gemunkelt, „findet man für sie ja einen Platz im Bundesinnenministerium.“ Für Jörg Schönbohm sicher die eleganteste Form der Problementsorgung.

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