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Hunger gegen Kettenabschiebung?

■ Innenressort dementiert Hungerstreik eines tamilischen Häftlings / Demonstration bei Sri Lankas Expo-Tag

Verwirrung im Abschiebegewahrsam Bremen-Vahr: Nach Auskunft des Internationalen Menschenrechtsvereins befand sich der Tamile Tharmarajah E. neun Tage lang im Hungerstreik. Das Innenressort dementiert: Laut Ausländeramts-Leiterin Erika Pape-Post hat der Mann aus Sri Lanka zu keiner Zeit die Nahrung verweigert. Andere Auskunft erhielt die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill vom Wachpersonal: E. habe tatsächlich bis vorgestern das Anstalts-essen verweigert. Es sei aber nicht auszuschließen, dass er von Besuchern anderweitig Nahrung bekommen habe.

Der Onkel des Inhaftierten, Sinnathamby S., sagte, er habe in den letzten beiden Wochen vergeblich versucht, seinen Neffen zum Essen zu bewegen. Lediglich zum Wassertrinken habe sich E. überreden lassen, da er unter den Spätfolgen eines Nierenschadens leidet. E. führt die Schäden an seiner Niere und Leber auf Schläge zurück, die ihm Sicherheitskräfte in Sri Lanka bei willkürlichen Verhaftungen zugefügt hätten. 1995 hatte er Asyl in Deutschland beantragt, da er als Unterstützer der Guerilla-Armee „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) verfolgt werde.

Der Asylantrag wurde jedoch abgelehnt. Nachdem alle Rechtsmittel ausgeschöpft waren und ihm die Abschiebung nach Sri Lanka drohte, floh E. vor einem Monat von seinem Wohnort Diepholz weiter nach Großbritannien. Dort wurde sein Gesuch ebenfalls abgelehnt und er wurde zurückgeschoben. Weil seither „Fluchtgefahr“ besteht, sitzt der 36-Jährige in Abschiebehaft. Seine letzte Chance ist nun ein zweiter Asylfolgeantrag. Darin argumentiert E. mit einer veränderten Lage in Sri Lanka.

Laut einem internen Bericht des Auswärtigen Amts hat sich der Bürgerkrieg dort verschärft. Die Regierung habe das Land in „Kriegsbereitschaft“ versetzt. Aufgrund der verschlechterten Sicherheitslage seien Tamilen im wehrfähigen Alter verschärften Sicherheitskontrollen ausgesetzt. Insbesondere Abgeschobene müssten mit „Verhaftungen zur Identitätsklärung“ rechnen, wie sie E. bereits erlitten hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hatte vor drei Wochen geurteilt, dass solche Aufklärungsmaßnahmen „nicht nur der Terrorismusabwehr dienen“, sondern möglicherweise „den Einzelnen wegen seiner asylerheblichen Merkmale treffen“. Ausnahmsweise könnten sie daher auch als politische Verfolgung gelten.

Der Internationale Menschenrechtsverein fordert die Freilassung von Tharmarajah E. und die Aussetzung von Abschiebungen nach Sri Lanka. Dafür demonstrierten gestern rund sechzig überwiegend aus Bremen angereiste Personen in der Hannoveraner Innenstadt, später wurden Flugblätter auf dem Expo-Gelände verteilt. Dort feierte nämlich Sri Lanka seinen Nationentag mit Tanz und Musik – „froh, lustig und entspannt“, wie der stellvertretende Expo-Chef Norbert Bargmann betonte. jank

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