: Die auf dem Grat wandert
Zwischen der intellektuellen Hillary Clinton und der altbackenen Barbara Bush: Tipper Gore
Als First Lady der USA würde sich die 52-jährige Tipper Gore wohl irgendwo zwischen Barbara Bush und Hillary Rodham Clinton ansiedeln. Erstere ist bekannt für ihre doppelreihige Perlenkette und hat sich bisher weder für ihren Mangel an Modebewusstsein noch für ihre Kleidergröße 14 entschuldigt. Ihr berühmtes Motto war: „Sie bekommen, was Sie sehen.“ Frau Bush trat zwar auch als Spendensammlerin für Projekte in Erscheinung, aber sie stellte stets ihre Rolle als Frau und Mutter in den Vordergrund.
Hillary Rodham Clintons Rolle war dagegen stets umstritten. Zwar müssen die meisten US-Frauen arbeiten – aber sie hadern ständig damit, nicht genügend Zeit für die Kinder zu haben. Auch kommen viele US-Amerikaner nach wie vor nicht damit klar, dass eine Frau mehr Geld verdienen könnte als ihr Ehemann. Hillarys Arbeit als Rechtsanwältin hat der Familie Clinton stets den Großteil ihres Einkommens gesichert. In der Debatte über ihre Rolle hat sie sich einmal völlig verrannt, als sie Reportern sagte, sie hätte „natürlich auch zu Hause bleiben und Kekse backen“ können.
Tipper Gore verkörpert die Intelligenz, Initiative und Stärke, die die Menschen respektieren, aber bei Hillary Clinton nicht leiden konnten. Indem sie ihre Rolle als Ehefrau, vierfache Mutter und seit neuestem auch noch Großmutter betont, schafft es die Kandidatengattin, diese Qualitäten mit jenen femininen Eigenschaften zu vermischen, die die Menschen an Barbara Bush so lieben.
Bisher hat sie viel gegen die Stigmatisierung von Geisteskranken getan – nicht ohne auf ihr eigenes Schicksal zu verweisen und öffentlich von ihren Depressionen zu berichten. Ihr Büro in der Verwaltung des Vizepräsidenten hat sie benutzt, um sich für bessere Betreuung und größere Rechte geistig Behinderter einzusetzen. Im vergangenen Jahr leitete sie die erste Konferenz über Geisteskrankheiten. Im Mai dieses Jahres stellte sie gemeinsam mit ihrem Al einen Plan vor, geistig Behinderte so gut zu versorgen wie andere Kranke. 1985 gründete sie eine Elterninitiative gegen jugendgefährdende Musik und erreichte, dass bestimmte Musikprodukte mit Warnaufklebern versehen werden müssen. Kritiker meinten daraufhin, sie sei eine Zensurfanatikerin – doch die meisten Eltern teilten ihre Sorgen.
Im Rahmen der aktuellen US-Diskussion über die Rolle der Frauen bewegt sich Tipper Gore auf einem schmalen Grat: Sie ist ihrem Mann eine große Hilfe, leistet effektive Kampagnenarbeit – und konzentriert sich doch ganz auf die Themen Kinder und Familie. HEATHER GREENFIELD
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