Stromgiganten begehren Veag

Trotz miserabler Zahlen meldete sich gestern mit der Energie Baden-Württemberg ein neuer Kaufinteressent

BERLIN afp/taz ■ Dass es der Veag schlecht geht, ist bekannt. Wie schlecht, belegen die Halbjahreszahlen, die der ostdeutsche Stromerzeuger gestern veröffentlichte. Trotz deutlich gestiegenen Absatzes im ersten Halbjahr ging der Ertrag zurück. In Zahlen: Dem Plus von 10 Prozent – es wurden 26 Milliarden Kilowattstunden verkauft – steht ein Verlust von sagenhaften 32 Prozent entgegen: Der Erlös fiel auf rund 1,6 Milliarden Mark.

Ein Veag-Sprecher erklärte den Verlust mit zwei Preissenkungsrunden, die in den Zeitraum fallen. Mit einem „intensiven Sparprogramm“ habe die Veag knapp die Hälfte dieser Verluste aufgefangen, für den Rest sorgte das Unternehmen bereits beim Jahresabschluss 1999 vor.

Erst im Frühjahr hatten die Eigentümer Veba und Viag der Veag einen Milliardenkredit eingeräumt, um das Unternehmen über Wasser zu halten. Die Lage des ostdeutschen Braunkohleverstromers wird sich erst nach 2008 ändern: Nach der bis dato getätigten Abschreibung verfügt die Veag dann nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller über die wirtschaftlichste Stromerzeugung Deutschlands.

Wohl deshalb ist der ostdeutsche Stromerzeuger auch trotz der jetzt schlechten Zahlen ein heiß umworbener Übernahmekandidat bei der Neuordnung des deutschen Strommarktes. Neben den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW) sind auch die Stockholmer Vattenfall und die in Atlanta beheimatete Southern Energy interessiert.

Gestern meldete sich mit dem süddeutschen Versorger Energie Baden-Württemberg (EnBW) ein weiterer Interessent. Die EnBW könne „als Veag-Interessent nicht mehr ausgeschlossen werden“, erklärte der Chef des Karlsruher Unternehmens, Gerhard Goll. Hinter der EnBW steht der französische Atomstromriese Electricité de France. Geringe Anteile an der Veag wollen auch die Städte Halle, Chemnitz und Leipzig erwerben.

Die besten Übernahmechancen rechnen Experten demjenigen Kandidaten aus, der künftig Eigentümer der Bewag ist. Wie die Bewag sitzt auch die Veag in Berlin.

Dort traf sich gestern Finanzsenator Peter Kurth (CDU) mit den Spitzen der Unternehmen E.ON Energie und HEW. Der Senat sperrt sich gegen den überraschend eingefädelten Coup der HEW, die E.ON-Anteile der Bewag zu kaufen. E.ON muss als Nachfolger der beiden Alteigentümer Veba und Viag seine 49 Prozent (52,2 der Stimmrechte) an der Bewag zum 1. Januar 2001 verkaufen. Mit diesem Schritt würde Auflagen der EU-Kommission zur Fusion von Veba und Viag zu E.ON entsprochen.

Unterdessen hat sich der Machtkampf um den Bewag-Deal der HEW gestern weiter zugespitzt. Das Berliner Landgericht untersagte E.ON, seine Bewag-Aktien ohne Zustimmung des Konsortialpartners Southern Energy weiterzuveräußern. Die von Southern erwirkte einstweilige Verfügung gilt bis 22. September 2017 oder bis zur Entscheidung in erster Instanz.

Die HEW und ihr künftiger Großaktionär, der schwedische Energiekonzern Vattenfall, sind gestern weiter zusammengerückt. Die HEW gab die gemeinsame Gründung des „Nordic Powerhouse“ bekannt, in dem 50 Mitarbeiter beider Unternehmen Energiehandelsgeschäfte mit Strom, Erdgas und Öl-Derivaten aufnehmen. 2001 soll dort bereits ein Fünftel des deutschen Stroms gehandelt werden. RENI