: Halbzeit einer müden Expo
Nur 14 statt der geplanten 40 Millionen finden den Weg nach Hannover
HANNOVER taz ■ Die Expo 2000 GmbH hat zur Halbzeit der Weltausstellung ihre Besuchererwartung noch einmal nach unten korrigiert. Statt der ursprünglich 40 Millionen rechnet sie jetzt nur noch mit 14 Millionen bis Ende Oktober. Bisher haben rund 6,8 Millionen zahlende Gäste die Weltausstellung in Hannover besucht. Er rechne damit, dass in der verbleibenden Zeit die Besucherzahl der ersten Hälfte „zumindest übertroffen werde“, sagte gestern Expo-Geschäftsführer Reinhard Volk. Darüber hinausgehende Prognosen wollte Volk allerdings nicht mehr abgeben.
Das Expo-Defizit dürfte damit am Ende die Zwei-Milliarden-Mark-Grenze überschreiten. Sollte es unter zwei Milliarden Mark liegen, müssten in der zweiten Hälfte der Expo 2000 mehr als doppelt so viele zahlende Gäste auf das Gelände in Hannover kommen als in der ersten.
Expo-Generalkommissarin Birgit Breuel sparte in ihrer Halbzeitbilanz selbstkritische Töne nicht aus. Nach einem Bilderbuchstart sei die Weltausstellung durch die geringen Besucherzahlen sehr schnell in Turbulenzen geraten, räumte sie ein. Die öffentliche Debatte über die Besucherflaute und die Aufgabe des Besucherziels von 40 Millionen bezeichnete sie als richtig.
Inzwischen kommen täglich im Schnitt gut 110.000 Gäste auf die Expo. Die inzwischen gebührenfreien 25.000 Parkplätze rund um das Gelände sind vollständig belegt. Drinnen bilden sich vor etwa einem Dutzend Pavillons oder Einzelaustellungen bereits regelmäßig Schlangen, in denen die Neugierigen bis zu zwei Stunden ausharren müssen. Expo-Chefin Breuel kritisierte den Herdentrieb des Publikums. Die Besucher würden sich leider immer da anstellen, wo bereits viele Menschen stünden, und sich so selbst um ihr Expo-Erlebnis bringen.
Die Expo GmbH beging ihre Halbzeit gestern mit einem Fest der „Völkerverständigung“. Zwar werde während der gesamten Zeit der Expo 2000 das „friedliche Miteinander unterschiedlicher Religionen, Rassen und Gesellschaften gefeiert“, so die Expo-Chefin, trotzdem forderte Breuel gestern alle Expo-Besucher und -Mitarbeiter dazu auf, ein ganz besonderes Zeichen der Toleranz zu setzen. Auf dem östlichen Pavillongelände der Expo sollten sie sich zu einer „Lichter- und Trommelkette“ formieren und mit Schlaginstrumenten möglichst viel Lärm machen. Den Startsschuss zu der Toleranzaktion sollte ein Schlag auf die größte Trommel der Welt geben, die ebenfalls auf der Weltausstellung zu finden ist.
Ganz frei von Diskriminierungen ist allerdings auch das friedliche Expo-Geschehen nicht. Immerhin gibt es dort einen florierenden und vom Veranstalter lizensierten Gastronomiebetrieb, die Evererst LP, der seinen in Osteuropa angeworbenen Mitarbeitern nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Stundenbruttolöhne von weniger als fünf Mark und Überstunden überhaupt nicht bezahlt. JÜRGEN VOGES
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