: Die Flaschen sind jetzt aus Plastik
■ Heute Abend feiert der Tabellenführer Heimpremiere: St. Pauli emfängt Waldhof Mannheim
Was ist neu in dieser Saison? Trainer Dietmar Demuth hat keinen Schnurrbart mehr. Ex-Torwart Carsten Wehlmann ist nicht nur aus dem Kader, sondern auch aus der Umkleidekabine auf der vereinseigenen Homepage verschwunden. Das Holsten-Bier kommt jetzt aus der PET-Plastikflasche. In der Mixed Zone am Millerntor steht nun eine Hauptsponsorenwand, vor der die Spieler ihre Interviews geben sollen. Am Trikot des FC St.Pauli prangt jetzt der Totenkopf – „mit dem Symbol haben wir keine Berührungsängste mehr“, verkündet Marketingleiter Götz Weisener. Ach, ja: Dass St. Pauli Tabellenführer der 2. Fußball-Bundesliga ist, ist auch noch neu.
Was ist alt? Der Trainersprech. Dietmar Demuth sitzt hinter der vom Sponsor aufgebauten Plastikbierflasche, verzieht natürlich keine Miene, schaut in die Runde der erwartungsfroh versammelten Fußball-BerichterstatterInnen und sagt: „Zu einem Spiel gehören immer elf Spieler.“ Er sagt: „Wir orientieren uns auch am Gegner.“ Er sagt: „Trulsen hat gut trainiert, wie alle anderen auch.“ Einmal hat er einen Lacher. Als die Frage kommt, wie man gegen den heutigen Geg-ner Waldhof Mannheim (19 Uhr) im ersten Heimspiel der Saison spielen soll, empfiehlt Demuth: „Wir wollen den Gegner durch permanentes Toreschießen zermürben.“ Da schreiben alle ganz schnell mit. Da haben sie etwas zum Dranfesthalten.
Ansonsten zur Heimpremiere: Demuth, wie gehabt. Zur Mannschaftsaufstellung sagt er nichts, zu Christian Rahn, nominiert für die U21-Nationalmannschaft, kommentiert er: „Ein Spieler wie alle anderen auch.“ Zu den Dauer-Wechselgerüchten in Sachen des von Werder Bremen umworbenen Ivan Klasnic: „Das ist von außen aufgebauscht.“ Für die Presse ist der Mann ein Kugelschreiber-Tod.
Voll wird es heute Abend: Schließlich steht ein echter Knaller an: Der Tabellenerste empfängt den Tabellendritten. 6:3-Sieger gegen 3:0-Sieger, beide auf einem Aufstiegsplatz quasi, um die Enthusiasten zu bedienen. Schlagerspiel nennen Sportreporter das, nicht verwunderlich, dass zehn St.Pauli-Spieler morgen beim Schlagermove auf einem Wagen dabei sind (“Mit welchen fröhlichen Kostümen die Kicker den Holsten-Truck zieren, wird am Samstag zu sehen sein.“ Holsten Pressemitteilung). Die Gegengerade für heute Abend ist schon völlig ausverkauft, Manager Stephan Beutel erwartet 18.000 ZuschauerInnen. Dagegen mühen sich 300 Gäste aus Mannheim: „Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass wir in der Überzahl sind“, vermeldet der Manager. Der Trainer spricht davon, „mit einem Spiel eine Euphorie in der Stadt ausgelöst“ zu haben. „Die Zuschauer haben auf ein solches Signal gewartet“, sagt Beutel. Die Anzahl der DauerkartenInhaberInnnen ist jetzt schon bei knapp 6000 gelandet, die Zahl, die man auch in der Vorsaison erreichte.
Was gibt es ansonsten Interessantes von der ersten Saison-Pressekonferenz des FC St.Pauli zu erzählen? Will sagen: Was muss der leidgeprüfte St.Pauli-Fan zu Beginn einer langen Saison noch unbedingt wissen? Ein Sponsor veranstaltet in der Pause der Heimspiele ein Torwandschießen, die Mopo hat in Zusammenarbeit mit dem Verein eine Kolumne Logengeflüster, der neue Fanartikelkatalog ist fertig (mit der „World-of-Internet- und der Totenkopf-Kollektion“), der Strom fürs Flutlicht kommt künftig aus Braunschweig, und Sponsoren und Vereinsfreunde treffen sich demnächst im Hamburg Dungeon. Falls sie sich am Millerntor nicht schon genügend gegruselt haben. Peter Ahrens
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