: Chiles Rechte kämpft für ihre Version der Historie
Im chilenischen Senat verteidigten Pinochets Anhänger den Militärputsch. Präsident Lagos hält eine „offizielle“ Geschichtsschreibung für unmöglich
BUENOS AIRES taz ■ Mit dem Rausschmiss von rund 100 Pinochet-Anhängern aus dem chilenischen Senat in Valparaiso endete am Mittwochabend der erste Teil der Debatte über die Gründe, die zu dem Militärputsch am 11. September 1973 führten. Die chilenische Rechte, die durch die Verfahren gegen Pinochet ihre Hoheit über die Geschichtsschreibung gefährdet sieht, hatte die Debatte beantragt. Während der Sitzung verhielten sich die Pinochet-Anhänger auf den Rängen weitgehend friedlich, erst nach Ende der Debatte skandierten sie einmal mehr „Viva Pinochet“ und hielten Poster des Ex-Diktators in die Kameras.
Diskutiert werden sollte über die historischen Versionen über den Putsch von 1973. Senator Carlos Cantero von der Nationalen Erneuerung (RN) plädierte er für eine „integrale Version“ der Geschichtsschreibung und machte auch gleich deutlich, was er darunter versteht: „Es waren nicht die Streitkräfte, die die Demokratie angegriffen haben“, sagte er. Sein Parteikollege Sergio Romero leistete ihm Schützenhilfe. Es seien die Ereignisse während der Regierungszeit Salvador Allendes gewesen, die das Militär auf den Plan gerufen hätten. Die Sozialistische Partei Chiles sei „die Hauptschuldige an der Gewalt in unserem Land“, sagte Romero.
Der sozialistische Senator Jaime Gazmuri wollte derlei Angriffe nicht parieren. Für ihn sei die Debatte ein taktisches Manöver der Rechten. Er habe „den Verdacht, dass hier zwei Dinge durcheinander gebracht werden sollen“, so Gazmuri. Eines sei „die historische Analyse der Gründe, die zum Bruch mit der Demokratie führten“, so Gazmuri, die andere Sache seien die während der Diktatur begangenen Menschenrechtsverletzungen „durch Agenten des Staates“.
Präsident Ricardo Lagos rief dazu auf, keine überflüssigen Debatten zu führen. „Seien wir ernsthaft: Niemals wird es eine offizielle Geschichtsschreibung geben“, sagte der sozialistische Präsident.
Ebenfalls am Mittwoch hat der Richter Juan Guzmán angekündigt, er könnte die Eröffnung des Gerichtsaktes gegen Pinochet möglicherweise auf Oktober verschieben, meldete die Tageszeitung La Segunda. Der Grund: Am 20. August beginnt der Monat der Streitkräfte, und er wolle vermeiden, dass sich beides miteinander überschneidet. INGO MALCHER
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