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Letzte Ehre für einen Kämpfer

Das baskische Dorf Markina will einen getöteten Eta-Mann im Rathaus aufbahren

SAN SEBASTIAN taz ■ Markina hat keinen Bahnhof und in Reiseführern zum Baskenland kommt es nicht vor. Fremde verirren sich nur selten in das Dorf an der kleinen Landstraße, in dem grünen Tal, kurz hinter der kantabrischen Küste.

Dabei wäre es vermutlich geblieben, wenn nicht in dieser Woche der elfköpfige Rat von Markina zu einer „dringenden außerordentlichen Sitzung“ einberufen worden wäre, deren einstimmiges Ergebnis jetzt Spanien aufschreckt: Markina will dem bei einem Sprengstofftransport ums Leben gekommenen Etarra Patxi Rementeria im Rathaussaal die letzte Ehre erweisen.

Patxi Rementeria war ein „Kind“ von Markina – wie es in den katholischen Landgemeinden im Baskenland heißt. Vor allem war er ein „Kämpfer gegen den spanischen Staat“ – wie es bei der ETA heißt. Einer, der den längsten Teil seines 39-jährigen Lebens mit der Bombe in der Hand im Untergrund verbracht hat. Wegen der 19 mörderischen Attentate, die dem Chef des ETA-Kommando Biskaya zur Last gelegt werden, war die Polizei ganz Spaniens hinter ihm her.

Markinas Bürgermeister ist kein Etarra. Er gehört der gemäßigten Nationalistenpartei PNV an, die das spanische Baskenland seit dem Ende des Franquismus und der Einführung eines Autonomiestatuts regiert. Offiziell ist die PNV gegen Gewalt – auch wenn sie dasselbe Ziel wie die ETA-Kämpfer anstrebt: ein souveränes, vereinigtes Baskenland.

Dass er dennoch einen toten Terroristen im Rathaus aufbahren will, erklärte Bürgermeister Angel Kareaga mit Angst. „Massiver Druck“, habe zu der Entscheidung geführt, die „Schlimmeres in Markina“ verhindern solle.

Das Wort „Druck“ gehört im Baskenland zum Alltag. Nicht-Nationalisten wissen ein Lied davon zu singen: von Schweigeverpflichtungen am Telefon, anonymen Briefe, die sie zum „Auswandern“ auffordern, und von an Wände gemalten Zielscheiben, auf denen ihr Name steht. In diesem Sommer, in dem die ETA die massivste Attentatskampagne seit Jahren fährt, müssen städtische Busse von Polizeieskorten begleitet werden und haben zahlreiche Politiker das Baskenland vorübergehend verlassen. Wer noch vor Ort ist, wird von Leibwächtern begleitet.

Jene, die seit Jahren Zielscheibe der ETA sind, verstehen nicht, dass ein nationalistischer Bürgermeister vor dem „Druck“ kuscht. Ein baskischer Konservativer, dessen Parteifreund Miguel Angel Blanco vor drei Jahren von dem Kommando Biskaya ermordet wurde, nennt die Aufbahrung im Rathaus eine „Beleidigung für die Opfer“. Und die Justiz sucht nach „legalen Mitteln“, um die Veranstaltung zu verhindern. Die Freunde des Toten nennen Rementeria einen „patriotischen Militanten“. Täglich treffen sie sich vor dem gerichtsmedizinischen Instiut von Bilbao, wo seine Überreste untersucht werden. In Markina brennt eine Fackel auf dem Dorfplatz, daneben sind Kinderfotos von Rementeria ausgestellt. Auf Plakaten am Rathaus steht: „Es lebe die ETA“. DOROTHEA HAHN

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