: Noteingänge bieten Rettung für die Opfer rechter Gewalt
Mit linken Jugendlichen gegen rechts, mit Künstlern auf dem Pausenhof: Organisationen zwischen Bonn und Brandenburg helfen, schulen und klären auf
BERLIN taz ■ Ein Aufkleber scheint nicht viel, wenn die Gegner mit Stahlkappen zutreten. Oder Kampfhunde hetzen. Oder Schlagketten schwingen. Viele Aufkleber an vielen Geschäften zeigen aber doch viel. Viel Wut, viel Protest, fanden die Juroren und verliehen im Mai diesen Jahres der „Aktion Noteingang“ den Aachener Friedenspreis.
Nach rassistischen Übergriffen im Sommer 1998 wollten Jugendliche aus Brandenburg ein Zeichen setzen und dabei praktische Hilfe bieten: Sie pappten Aufkleber auf Ladentüren, die so zum Noteingang für Verfolgte wurden. Seitdem schreiben sie Geschäfte, Gaststätten, Tankstellen, kirchliche und soziale Einrichtungen an. Und schicken ihnen die Aufkleber, Kontaktadressen und einen Fragebogen: Wer nicht mitmachen möchte, möge doch zumindest erläutern, warum. Das wird dann von Studenten der Berliner Humboldtuni ausgewertet.
Entsprechend ausgewiesene Noteingänge gibt es auch in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen. Sie sollen nicht nur eine rettende Tür öffnen, sondern auch nach außen vermitteln: Rechte sind hier unerwünscht. Die Ladenbesitzer werden außerdem aufgefordert, Verfolgten Kontakt zu Hilfsinitiativen zu vermitteln (Tel.: (0 33 38) 45 94 07; www.djb-ev.de/noteingang).
Zum Beispiel zur „Opferperspektive“ (Tel.: 01 71-1 93 56 69; www.opferperspektive.de). Die Brandenburger Initiative berät Opfer und Gefährdete rechtlich und bietet ihnen psychologische Hilfe an. Wichtig ist dem Potsdamer Dachverband dabei der Kontakt zu Gruppen vor Ort. In den letzten Wochen und Monaten haben sich nach dem Potsdamer Vorbild auch in Cottbus, Bernau, Strausberg und Frankfurt (Oder) Anlaufstellen für Opfer rechter Gewalt gebildet. Doch nicht überall sei das machbar, sagt Kay Wendel, Mitarbeiter der „Opferperspektive“: „An manchen Orten in Brandenburg finden wir niemanden mehr, der sich gegen Rassisten auflehnen möchte.“
Um eben dies zu verhindern, setzen andere Initiativen auf Aufklärung in den Klassenzimmern: Die Magdeburger „Menschenskinder“ betreiben Anti-Rassismus-Arbeit vor allem in Berufsschulen, gemeinsam mit Künstlern und Wirtschaftsvertretern (Tel.: (03 91) 5 37 12 05). Gegen Gewalt auf dem Schulhof geht auch die Bonner „Aktion Courage – SOS Rassismus“ an (Tel.: (02 28) 21 30 61; www.aktioncourage.org): Wer in den Klassen Projekte gegen Ausländerhass entwickelt, kann den Titel „Schule ohne Rassismus“ beantragen.
Die 1992 gegründete „Aktion Courage“ bündelt 60 regionale Gruppen und unterhält Zweigstellen in Berlin, Mölln und Mainz. Aufklärungsbedarf herrscht ihrer Meinung nach nicht nur in den Schulen: Sorgsam dokumentieren sie, wie oft jedes Jahr Ausländer von Polizisten misshandelt werden. Und um dem in Zukunft entgegenzuwirken, schickten sie Polizisten für eine Woche in eine ausländische Familie. Wer einmal Haus und Tisch geteilt hat, begegnet sich anschließend mit mehr Verständnis und Respekt, so ihre Idee.
Ähnlich wie die „Aktion Courage“ bietet auch die Berliner „Amadeu Antonio Stiftung“ (www.amadeu-antonio-stiftung.de) Zugang zu lokalen Netzwerken. Sie fördert Initiativen vor Ort und bringt sie miteinander in Kontakt. Außerdem hilft sie Opfern von Gewalt, schult Lehrer, Polizisten und Sozialarbeiter. Allen diesen Gruppen ist eins gemeinsam: An Ideen mangelt es nicht. Doch die Finanzierung bleibt heikel, obwohl die Medien ständig berichten. Zwar gab in einer Emnid-Umfrage jeder zweite Deutsche an, er würde gegen rechts auf die Straße gehen. Und 81 Prozent befürworteten harte Maßnahmen gegen rechte Schläger. Andererseits beklagt fast jede Initative, dass sich kaum mehr Menschen als vorher für ihre Arbeit interessieren. Elisabeth Brauckmann von der „Aktion Courage“: „Zwar laufen hier seit Wochen die Telefone heiß. Aber meistens sind Journalisten am anderen Ende der Leitung.“
COSIMA SCHMITT
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