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Nachrichten aus dem Institut

■ Neues Heft der Zeitschrift Mittelweg 36: Elite, Lukács, Ethnizität

Still ist es geworden um das Hamburger Institut für Sozialforschung, sieht man von den Verlautbarungen zu personellen Wechseln unter den Machern der Wehrmachtsausstellung einmal ab. Hinter verschlossenen Türen freilich dürfte die Verifikation der Fotos auf Hochtouren laufen. Über weitere Forschungsschwerpunkte gibt auch diesmal wieder die institutseigene Zeitschrift Mittelweg 36 Auskunft. So findet der thematische Dauerbrenner Totalitarismustheorie in einem Text von Reinhard Müller über die kurze Haftzeit Georg Lukács' in der Lubjanka seinen Niederschlag.

Nicht oft genug kann man sich fragen, wie es eigentlich zu der seit einigen Jahren fortbestehenden Hochkonjunktur des Begriffs „Ethnie“ kommt. Gerade die Kriege auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien haben die Wirkung des Konzepts zu einer Herausforderung für die Theorie gemacht. Einen umfangreichen Rezensionsteil zum Thema Kosovo-Krieg ergänzt der Literaturbericht Wolfram Stenders „Ethnische Erweckungen – Zum Funktionswandel von Ethnizität in modernen Gesellschaften“. Entgegen der gängigen Annahme, es handele sich um die Wiederkehr eines Phänomens, das durch die Moderne eigentlich hätte abgeschafft werden müssen, vertritt Stender die These, es handele sich bei Ethnizität um ein Phänomen, das nachgerade von der Gegenwart „erfunden“ worden sei.

Einen Eindruck von Wolfgang Kraushaars für den Herbst geplantes Buch 1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur gibt dessen Text „Die Anti-Elite als Avantgarde“. Der Einfluss der 68er auf die Berliner Republik wird bekanntlich von zwei Seiten überschätzt. Wo die einen den von der Protestgeneration bewirkten Werteverfall beklagen, frohlocken die anderen über zivilgesellschaftlichen Fortschritt und ein Mehr an Demokratie. Unbestritten ist für beide Positionen, der Gang der 68er durch die Institutionen sei erfolgreich gewesen, und entsprechende Erhebungen, denen zufolge zumindest in Politik, Medien und Kultur ein überproportionaler Anteil „Ehemaliger“ zu verzeichnen ist, bestätigen die Herausbildung einer 68er-Elite.

Kraushaar beginnt bei der Merkwürdigkeit, dass ausgerechnet die antiautoritäre und antielitäre Bewegung eine Elite herausgebildet hat. Die sucht er nun mit ihren ursprünglichen Zielen in Einklang zu bringen und spricht daher von einer „Wertelite anderen Typs“: eine Elite, die für „nichtmaterialistische“ Werte einstehe.

Daran ist nicht nur der einmal mehr unmarxistische Begriff von Materialismus erstaunlich, sondern vor allem, wie sich kritische Theorie hier blind macht für das sukzessive Abrücken „führender“ Vertreter der fraglichen Generation nicht nur von ihrem Antielitismus. Denn anstelle, wie Kraushaar behauptet, einer Verringerung der Kluft zwischen Wissen und Macht, mithin einer Demokratisierung, ist derzeit wohl eher zu beobachten, wie staatliche und gesellschaftliche Entscheidungen von einem stetig kleiner werdenden Kreis getroffen werden.

Christiane Müller-Lobeck

Mittelweg 36, Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Nr. 4/2000, 95 S., DM 18

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