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Hennemann frei und niemand verantwortlich?

Ein Strafprozess kann nur den justiziablen Aspekt der Wahrheit beleuchten. Dem Vulkan-Management, so sieht es nach dem vorliegenden Gutachten aus, kann im strafrechtlichen Sinne nicht der Vorwurf gemacht werden, die Mittel zum Aufbau der Ost-Werften „untreu“ verwaltet zu haben.

Es wäre wohl auch zu einfach gewesen, wenn man Friedrich Hennemann, nachdem er Jahre lang hofiert wurde, nun als Sündenbock alle Schuld zuschieben könnte. Dass der Schiffbau eine schwierige Branche ist, wusste man schon vor dem Vulkan-Crash.

Entscheidender ist da wohl die Frage nach der Aufsicht, und im Aufsichtsrat des Vulkan-Konzerns saßen sie alle – die Vertreter der Banken, des Senats und der IG Metall. Wenn in dem Prozess und in der Begleitung des Prozesses niemand erklärt hat, Hennemann sei an allem schuld gewesen, dann liegt das auch daran. Nicht nur die Treuhand, auch die Banken-Vertreter und die IG Metall tragen ihren Teil der Verantwortung. Sie haben 1995 voll auf Hennemanns Visionen gesetzt und 1996 nicht den Crash verhindern können. Wie sollen, wenn der auf der Anklagebank sitzt, die anderen als Zeugen der Anklage fungieren? Sie haben nur bestätigt, dass sie es auch nicht besser gewusst haben, juristisch gesagt: Dass es also am Vorsatz zur Untreue fehlt. Die Frage nach der industriepolitischen Verantwortung kann das Gericht derweil niemandem abnehmen.

Klaus Wolschner

siehe Seiten 8 und 22

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