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„Ein etwas breiteres Kreuz“

■ Marco Bode will Fans gegen rechte Parolen den Rücken stärken, aber eine Initiative der Mannschaft gibt es (noch?) nicht / Das Saisonziel ist Platz sechs – nicht nur gefühlt

taz: Geht Werder schon am zweiten Spieltag die Puste aus oder war das Münchner Sommerwetter Schuld am 1:2 gegen 1860?

Marco Bode: Mit den Kräften sind wir mit Sicherheit noch nicht am Ende. Wir haben den Sieg unglücklich verschenkt.

Es scheint, als wären zu viele Nationalspieler im Team. Fehlen da manchmal die Alternativen?

Nein, Thomas Schaaf und Klaus Allofs haben ganz bewusst darauf geachtet, dass der Kader groß und ausgeglichen ist, damit man auch mal ähnlich rotieren kann, wie es die Bayern oder Leverkusen vormachen. Aber natürlich funktioniert das nicht von Anfang an.

Es sah gegen 1860 so aus, als könnte der Sturm Verstärkung vertragen ...

Ja, aber es wäre unsinnig, deswegen jetzt noch Stürmer einzukaufen. Ailton und Claudio Pizarro können ja schon bald wieder spielen. Allerdings reißen Claudios strapaziöse Reisen zur peruanischen Nationalmannschaft ihn immer wieder aus dem Rhythmus.

Hoffen jetzt alle, dass Peru bald die WM-Qualifikation vergeigt?

Ich denke, dass dieser Gedanke den Offiziellen nicht ganz fremd ist ... aber wir haben auch gesehen, dass wir mit Paul Stalteri eine überraschende, gute Alternative haben. Und Rade Bogdanovic ist ja auch noch da – ein Klassestürmer.

Wird Stalteri verheizt?

Nein. In München konnte man allerdings den Eindruck haben. Er hat sich wirklich bemüht ohne Ende und hatte trotzdem wenig Chancen. Ich hatte richtig Mitgefühl. Aber wir haben eben versucht, aus einer kontrollierten Abwehr zu spielen – bei einer 1:0 Führung gibt es ja auch keinen Anlass für Hurrah-Fußball. Im Nachhinein war es sicherlich ein kleiner Fehler.

Wie ist denn jetzt der gefühlte Tabellenplatz?

Dass habe ich schon gesehen, dass der immer in der taz steht. Nach der enttäuschenden Niederlage ist er vielleicht noch ein, zwei Plätze niedriger als der reale.

Wo geht die Reise denn jetzt hin – wieder über den Pokal in den UEFA-Cup mogeln, oder diesmal ehrlich über den sechsten Platz qualifizieren?

Unehrlich war das ja nun nicht. Immerhin haben wir im letzten Jahr zu einem relativ späten Zeitpunkt noch auf dem vierten Platz gestanden, was sicher auch nicht ganz realistisch war. Mein Ziel ist es, in dieser Saison fünfter oder sechster zu werden, womöglich sogar vierter. Das wäre eine Bestätigung der letzten Saisonleistung.

Ist das zu schaffen?

Man muss das Ziel hoch setzen. Die Mannschaft ist in der Lage, im oberen Drittel mitzuspielen.

Wird trotzdem heute beim Pokalspiel gegen TB Berlin sicherheitshalber schon mal der Grundstein gelegt?

Ja, da dürfen wir uns natürlich keine Blöße geben. Ich war selbst jetzt schon sechsmal beim Pokalfinale in Berlin dabei. Es ist einfach ein schönes Erlebnis, da zu spielen. Ich hätte nichts dagegen, das jetzt zum dritten Mal in Folge zu tun.

Ein ernsteres Thema: Sie haben im Werder-Fan-Chat eine Debatte über rechte Parolen im Stadion angestoßen. Kriegt man so was auf dem Spielfeld mit?

Nein, einzelne Rufe versteht man nicht. Da müsste schon die ganze Kurve gemeinsam was rufen. Vor einem halben Jahr bekam ich einen Brief von zwei jungen Mädchen, die regelmäßig in der Ostkurve sind. Die haben mich darauf hingewiesen, dass in den Wochen davor rechte Gesänge und Parolen zugenommen hätten. Sie haben angeregt, dass man als Mannschaft aktiv wird. Ich habe dann unter anderem auf der Werder-Website im Gästebuch davon berichtet, da gab es kontroverse Reaktionen: Einige haben gesagt: Ja, das stimmt. Andere meinten: Das ist nur eine Minderheit, die gibt es schon immer. Ich habe dann mit dem Fan-Projekt gesprochen, und so entstand eine kleine Diskussion – eigentlich durch die Mädchen.

Braucht es einen Profi, damit sowas zustande kommt?

Nein, das Fan-Projekt macht da ja seit Jahren eine sehr sinnvolle Arbeit. Aber natürlich ist es auch für die Fans gut zu wissen, dass das bei den Spielern nicht auf völlig taube Ohren stößt. Sie sollen das Gefühl haben: Die Spieler machen sich Gedanken und distanzieren sich auch von solchen Parolen. In der Kurve erfordert es einigen Mut, solchen Leuten zu sagen: Jetzt halt mal die Klappe. Es hilft vielleicht, wenn man weiß: Die Spieler sind gegen rechte Parolen und Ausländerfeindlichkeit – dann hat man vielleicht schon ein etwas breiteres Kreuz, wenn man sich wehren muss gegen andere Fans.

Und was ist mit einer Aktion der ganzen Mannschaft?

Ich habe mit ein paar Leuten darüber gesprochen. Wir wollten aber abwarten, ob diese Situation sich noch stärker ausprägt, oder uns das im Stadion auch selbst auffällt. Wenn die Mannschaft es in die Diskussion bringt, könnte sich das Ganze noch verstärken. Diskussion darüber ist sehr wichtig, aber man muss aufpassen, dass man solchen Leuten keine Bühne verschafft, die sie sonst gar nicht bekommen würden. Auf der anderen Seite möchte ich ganz deutlich sagen, dass Bremen für mich immer ein positives Beispiel gewesen ist. Es gab eigentlich wenig solche Gesänge im Vergleich zu dem, was man früher aus Hamburg oder Berlin gehört hat.

Werden Sanktionsmöglichkeiten wie Stadionverbote konsequent genutzt?

Ich glaube, dass es sehr schwer ist, diese Personen zu identifizieren. Ich kann auch nicht sagen: Da muss man eine große Zahl von Leuten aus dem Stadion weisen.

Was ist die Alternative?

Sich mit den Leuten auseinanderzusetzen, statt sie rauszuschmeißen. Sonst gehen sie irgendwo anders hin – bestenfalls. Da finde ich den Ansatz des Fanprojekts richtig, die sagen: Wir müssen die Leute zu greifen kriegen und versuchen, durch Diskussionen ihre Einstellung zu verändern. Bei Jugendlichen ist das noch möglich, bei Erwachsenen dagegen schwer. Schlimm sind ja auch diejenigen, die sowas stillschweigend akzeptieren, aber vielleicht sogar ein bisschen mit diesen Gesängen sympathisieren. Fragen: Jan Kahlcke

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