HELMUT KOHL SELBST HAT SCHWARZE PARTEIKASSEN EINRICHTEN LASSEN: Die Wende
Eine „geistig-moralische Wende“ versprach Helmut Kohl bei seinem Amtsantritt im Jahre 1982 den Deutschen. Kein anderer Slogan ist mit dem Machtantritt der CDU so eng verbunden wie dieser. Ein geflügeltes Wort, dessen tiefere Bedeutung in diesen Tagen zu absurder Geltung kommt.
Wenn es stimmt, was die Süddeutsche Zeitung aufgedeckt hat, dann war Helmut Kohl tatsächlich selbst der Baumeister dieser „geistig-moralischen Wende“. Allerdings auf eine etwas andere Art, als sie sich dem gewöhnlichen Sterblichen erschlossen hätte. Kohl hat das Fundament gelegt, das in 16 Jahren die Basis seiner Macht war: die schwarzen Kassen der CDU. Und er hat von Anfang an gewusst, dass sein Handeln illegal war, eine Tat, betrieben mit krimineller Energie. Und einigen wenigen Helfershelfern.
Machterhalt um jeden Preis, das ist Helmut Kohl im Rahmen der Spendenaffäre schon mehrfach vorgeworfen worden. Und das Kaltstellen von Gegnern und die Erpressung von Parteifreunden auch. Vielleicht wird die Geschichte der CDU und ein Teil der bundesdeutschen Geschichte einmal in ganz anderem Licht erscheinen müssen, als sie es bisher tat. Vielleicht wird dann von den „historischen Verdiensten“ dieses skrupellosen Machtpolitikers, der sich nach Belieben über Recht und Gesetz hinweggesetzt hat, nicht mehr viel übrig bleiben können. Das Bild, das Helmut Kohl von dieser Republik geprägt hat, ist schlicht beschämend.
In Deutschland wird keiner gezwungen, Macht auszuüben. Und es wird auch keiner gezwungen, Politiker zu werden. Das ist immer noch eine freie Entscheidung. Doch wer diesen Weg wählt, der muss sich in einer modernen Demokratie an Maßstäben messen lassen, die mit Begriffen der Tugend zu tun haben: Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Anstand. Nichts anderes wollte doch die Parole von der „geistig-moralischen Wende“ sagen. Helmut Kohl hat sie schlicht ins Gegenteil verkehrt. Von Moral keine Spur.
Was die CDU heute mehr braucht als jede andere große Partei in Deutschland, ist eine Reform an Haupt und Gliedern. Es ist eine tatsächliche „geistig-moralische Wende“. Die „brutalstmögliche Aufklärung“. Die Abkehr von einem Freund-Feind-Denken, das die eigenen Reihen geschlossen hält, um welchen Preis auch immer. Bislang haben die Führungspersonen der Christdemokraten stets erklärt, das Ihre getan zu haben, um die Spendenaffäre aufzudecken. Die Schlussstrichmentalität, die dahinter steckt, ist mit der neuen Enthüllung ad absurdum geführt. Das ist gut für die Politik.
GEORG BALTISSEN
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