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kabolzschüsseAuf der Suche nach Berlins randigster Randsportart

Bahnengolf

Was sind das für Leute, die darauf verzichten, in wunderschönen, weitläufigen Parklandschaften den Ball zu treiben? Die nicht neidisch werden, wenn Tiger Woods an der Steilküste in Pebble Beach, dem vielleicht schönsten Golfplatz der Welt, an Loch 13 einen Eagle spielt. Sie meiden ja sogar die Plätze in Bad Saarow. Einfach so. Obwohl das gleich um die Ecke von Berlin liegt.

Bahnengolfer haben es gern übersichtlich. Sie haben das große Freilandspiel miniaturisiert. Sie sind Bonsai-Golfer. Doch darin sind sie akribisch wie nur was. Wenn wir beim Bild vom kleinen Bonsai-Baum bleiben, so sind die Bahnengolfer stets und ständig damit beschäftigt, das Gewächs zu vertikutieren und zu beschneiden, zu gießen und zu hegen. Es zu diversen Fachmessen zu tragen, immer die richtige Raumtemperatur und die stimmige Luftfeuchte im Sinn. Dort tauschen sie die letzten nanometergroßen Wachstumsfortschritte ihrer Kleinen mit all den anderen Minibaum-Freunden. Es wird über den neuesten Dünger geschnackt, der angeblich wirkt wie der Zauberstrahl der Baba Jaga und alles noch viel klitzeklitzekleiner macht.

Auch wenn die Welt der Bahnengolfer klein ist, ihr Universum ist riesig. Im Detail entwerfen sie eine Vielfalt, die irritierend ist. Obwohl man sie zunächst verkünden hört, man brauche „nur Schläger und Ball“, offenbart sich nur Augenaufschläge später dies: Gute Bahnengolfer tragen angeblich bis zu 40 Bälle mit sich herum, 27 Mark das Stück. Aus den verschiedensten Gummi-Mischungen. Neun Firmen produzieren das Runde. Eine hoch sophistizierte Wissenschaft. Es heißt: „Exzentrische Kerne sind nicht zugelassen.“ Oder: „Wenn man manche Bälle runterwirft, bleiben die liegen wie eine matschige Pflaume, manche springen hoch wie Flummis.“ Nur eben: Exzentrische Kerne sind nicht zugelassen. Auch bei den Vereinsmitgliedern.

Warum sprechen wir die ganze Zeit von Bahnengolf, nicht von Minigolf? Das hat Methode. Denn, wie gesagt, die Verästelungen des Bahnengolf-Bonsai sind üppig. Es gibt: Filzgolf, Miniaturgolf, Sterngolf (wird nur in NRW gespielt), Cobygolf mit so genannten Kasseler Bahnen und natürlich auch das klassische Minigolf.

Gespielt wird in Berlin meist auf Eternit oder Beton, beim Filzgolf, wie sich ahnen lässt, auf Filz. Bei elf Hauptstadtvereinen wird verhalten geputtet. Der größte ist der Tempelhofer Miniaturgolf-Verein 1965. Die spielen noch in der Ersten Bundesliga. Ein Team besteht aus sechs Spielern plus Ersatz. Es wird nur auf neutralen Plätzen gewetteifert, damit kein Heimvorteil entsteht. 18 genormte Bahnen, also Löcher, werden begolft. Zum Beispiel: Die liegende Schleife (Schnecke); die Niete (Schrägkreis); der Favoritentöter (Mausefalle), das Labyrinth oder die Pyramiden. Das kann dauern. Bis zu 18 Stunden pro Partie. Ein Golfer des Berliner Miniaturgolf-Sportclub 1960 sagt: „Wir sind nicht wie die Fußballer und rennen nach 90 Minuten unter die Dusche. Unser Aufwand ist größer als beim Fußball.“ Wenn ein guter Schlag gelingt, werden „Emotionen frei gemacht“. So distinguiert wie bei der PGA-Tour geht es bei den „Hardcore-Leuten“ keineswegs zu. Und alle sind dabei: „Vom Hoffeger bis zum Betriebsleiter“, wird versichert. 140 Aktive sind es in Berlin.

Die Kosten sind von den Sportlern zu tragen. Erstmal 25 Mark Vereinsbeitrag. Dafür sind die Bahnen meist kostenlos. Dann alle Spesen. Frauen und Männer spielen nicht gemeinsam. Nur in der untersten Klasse, der Viererliga, ist das erlaubt. Andreas Kelch und Anja Wilhelm treten ein paar Klassen höher an. Sie sind die besten Berliner. Nein, auch sie bereuen es nicht, dass kein Caddy elf Schläger und einen Ball für sie schleppt. „Wir bleiben bei einem Schläger und 25 Bällen.“ Das sei schon okay so.MARKUS VÖLKERAuf der Außenseiterskala von null bis zwölf: 4 Punkte

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