: Migranten in die Platte
Die Bürgermeisterin von Hohenschönhausen, Bärbel Grygier (PDS), will mehr Ausländer in den Bezirk locken. Sie sollen die drastisch gesunke Geburtenrate ausgleichen. Ausländerbeauftragte skeptisch
von JULIA NAUMANN
In Hohenschönhausen sollen nach Vorstellung von Bezirksbürgermeisterin Bärbel Grygier (PDS) künftig mehr Ausländer und eingebürgerte Migranten leben. „Wir verzeichen in Hohenschönhausen einen dramatischen Geburtenrückgang“, sagte Grygier der taz zur Begründung. So wurden 1999 nur noch 706 Kinder geboren, kurz vor der Wende waren es noch 1.894. Außerdem würden immer mehr Familien ins Umland abwandern, junge Familien aus der Innenstadt aber nicht in den Plattenbaubezirk ziehen.
„Soll dieser Trend aufgehalten werden, so muss Hohenschönhausen aktiv Bevölkerung in den Bezirk holen.“ Grygier denkt an eine „schrittweise Erhöhung der Zahl um jährlich 2.500“. Eine andere Möglichkeit, der ständigen Verkleinerung und zunehmenden Alterung des Bezirks entgegenzuwirken, sei kaum denkbar, so Grygier. Momentan sind nur 3,4 Prozent der Bezirksbevölkerung ohne deutschen Pass. Noch einmal fast doppelt so viele sind Aussiedler. Der verstärkte Zuzug von Ausländern ist laut Grygier auch sinnvoll, um „Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit“ abzubauen.
Die Ausländerbeauftragte des Bezirks, Bärbel Olhagaray, hält einen Zuzug von Nichtdeutschen unter den derzeitigen Bedingungen jedoch „für ziemlich problematisch“. So gebe es kaum Kneipen, kleine Geschäfte und überschaubare Wohneinheiten. „Architektur bedingt das soziale Zusammenleben“, und das sei in dem Plattenbaubezirk schwierig. Auch verwies sie auf den alltäglichen Rassismus: Es gebe im Bezirk zwar keine erhöhte Anzahl von Übergriffen auf Andersaussehende, aber einen „breiten rechten Mainstream“. Olhagaray erinnerte an die vor zwei Jahren geplante Ansiedlung einer Wagenburg, die unter anderem scheiterte, weil die Bevölkerung sich „vehement“ dagegen gewehrt hatte.
Die Hohenschönhauser CDU findet es zwar grundsätzlich positiv, dass mehr Ausländer in den Bezirk ziehen sollen, jedoch müsse die Infrastruktur radikal verändert werden. „Es gibt hier kaum Treffpunkte in den Wohneinheiten“, sagt die BVV-Verordnete Anita Knobloch. Der Bezirk sei zudem eine „kulturelle Wüste“. Die rechten Tendenzen bezeichnete Knobloch als „Besorgnis erregend“. Deswegen müsse erst die Jugendarbeit verstärkt werden. Dann könne über einen Zuzug von Ausländern nachgedacht werden.
Safter Çinar, Sprecher des Türkischen Bundes, hält Grygiers Vorschlag „für gut gemeint, aber unpolitisch“. Er glaube nicht, dass Migranten derzeit verstärkt in den Bezirk ziehen würden. „Die Menschen wollen sich nicht in Gefahr begeben.“ Chancen habe ein Zuzug nur, wenn die materiellen Voraussetzungen, attraktive Wohnungen und Arbeitsplätze, vorhanden seien.
Dass die Voraussetzungen derzeit nicht ideal sind, sieht auch die Bürgermeisterin. Dennoch plant Grygier eine Kampagne, um zu zeigen, dass Hohenschönhausen auch „völlig normal ist und Spaß machen kann“. Damit wolle sie potenziellen Zuzüglern die Angst nehmen. Auch Menschen mit einem ungesicherten Aufenthaltsstatus möchte Grygier mehr integrieren. Deswegen fordert sie, dass die Asylbewerberheime aufgelöst werden, und versucht derzeit, einzelnen Flüchtlingen Wohnungen zu vermitteln.
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