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Kanonen gegen Kokablätter

Unter dem Vorwand, dem Drogenhandel zu Leibe zu rücken, mischen sich die USA immer stärker in die inneren Angelegenheiten Kolumbiens ein

von INGO MALCHER

Zufall oder nicht? Am Dienstag wird US-Präsident Bill Clinton zu einem achtstündigen Staatsbesuch in Kolumbien erwartet, am Wochenende gibt die Antidrogenbehörde (DEA) der USA bekannt, einen Drogenschmugglerring ausgehoben zu haben. Zufall oder nicht, der Fall macht noch einmal eindrücklich deutlich, worum es Clinton in Kolumbien geht. Im Gepäck hat er die Zusage seiner Regierung, dass die 1,3 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung der Antidrogen-Initiative Plan Colombia bald überwiesen werden können. Vergangenes Jahr exportierten kolumbianische Drogenkartelle 550 Tonnen Kokain in die USA und konnten damit ihren Marktanteil deutlich verbessern. Im Jahr 1998 sollen laut DEA-Angaben 55 Prozent des Kokains in den USA aus Kolumbien gekommen sein, 1999 soll diese Zahl auf 98 Prozent geklettert sein.

Unter dem Vorwand, dem Drogenhandel zu Leibe zu rücken, mischen sich die USA immer stärker in die inneren Angelegenheiten Kolumbiens ein. Die Supermacht ist zu einem festen Faktor in der kolumbianischen Innenpolitik geworden. Doch durch die Einflussnahme der USA wird der seit 40 Jahren andauernde Konflikt zwischen Guerilla und Militär in Kolumbien weiter angeheizt. Nach Israel und Ägypten liegt Kolumbien an dritter Stelle der Länder, die am meisten US-Militärhilfe zugesteckt bekommen. Es überrascht daher nicht, dass die Orginalversion des von der kolumbianischen Regierung vorgelegten Plan Colombia nur auf Englisch zu Papier gebracht wurde – eine offizielle spanische Übersetzung lag lange nicht vor.

Ziel des Plan Colombia ist die Bekämpfung des Drogenhandels. Washington schickt dazu Waffen, Technik und Militärberater. 1,3 Milliarden Dollar ist der US-Regierung ihre Unterstützung für den Plan Colombia wert, 80 Prozent davon fließen in Militärhilfe. Sorgen darüber, dass mit der US-Hilfe der Bürgerkrieg in dem Land angeheizt werden könne, wies US-Außenministerin Madeleine Albright zurück: „Unsere Hilfe ist kein Antiguerilla-Programm, sie ist ein Antidrogenhandel-Programm.“ Nur ist das in Kolumbien schwer auseinanderzuhalten.

Der Feldzug gegen die Drogen beginnt im Süden des Landes, wo mit der US-Hilfe zwei komplette Antidrogen-Bataillone der kolumbianischen Streitkräfte ausgerüstet werden. Mit neuen Hubschraubern und neuen Waffen sollen diese Bataillone die Gegend durchkämmen und Pilzerreger auf die Kokapflanzen sprühen. Doch die Region ist fest in der Hand der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC). Die FARC kassieren von den Drogenschmugglern „Steuern“ für den Start ihrer Kleinflugzeuge – ein blendendes Geschäft. Daher befürchten viele, dass die Antidrogenbataillone zunächst Schlachten mit der Guerilla ausfechten werden. Und so wird die Sache auch von kolumbianischen Militärs verstanden. Viele von ihnen hoffen, mit dem neuen Gerät der Guerilla den Todesstoß versetzen zu könnnen. „Die FARC kann von mir aus das ganze Land mit Kokapflanzen überziehen, aber sie wird nie so viel Geld haben, wie die USA, die hinter uns stehen“, sagt Oberst Hugo Bahamon, der Ausbildungsleiter der größten Militärbasis Kolumbiens in Tolemeida.

500 US-Militärberater sind ständig in Kolumbien, hinzu kommen 300 privat angestellte Berater aus US-amerikanischen Sicherheitsfirmen. Sie haben den Vorteil, dass sie sich nicht als offizielle US-Beamte bewegen und folglich auch an Aktionen der kolumbianischen Armee teilnehmen können.

Das Herzstück der militärischen Zusammenarbeit beider Länder liegt abgeschirmt hinter Stacheldraht und schwer bewacht in der Militärbasis Tres Esquinas, im Süden des Landes: In einer olivgrünen Halle in Zigarrenform laufen auf unzähligen Bildschirmen alle Informationen zusammen, die aus US-Spionageflugzeugen per Satellit an die Bodenstation gefunkt werden. Jede Guerillafront, jeder Start einer kleinen Cesna der Drogenschmuggler verwandelt sich hier in einen roten Punkt auf den Monitoren.

Verschont von den US-Hubschraubern und Pilzerregern bleiben die Bosse der Drogenmafia. Seit der Drogenbaron Pablo Escobar 1993 im Kugelhagel der Polizei starb, ist die Zeit der großen Kartelle vorbei. Die neuen Drogengroßhändler sind sehr kleine, fast schon familiäre Organisationen, die sich unauffällig bewegen – anders als Escobar und Konsorten, die keine Scheu kannten und schon mal mit einem Rolls Royce durch Medellín fuhren. Ihre Zahl schätzen die kolumbianischen Behörden auf ungefähr 80 kleine Organisationen. Per Kleinfluzeug fliegen sie das Kokain in die Nachbarländer wie Venezuela, von wo aus es getarnt per Container nach Europa oder in die USA geht.

Doch der Plan Colombia stößt auch auf Kritik. Ein UN-Diplomat in Bogotá: „Die USA betreiben eine Politik der Kanonenrohre. Die Folge wird sein: Noch mehr Menschenrechtsverletzungen und noch mehr Kriegsflüchtlinge.“ Und nach Ansicht des Soziologen Ricardo Vargas sind es weniger die Drogenexporte Kolumbiens, die die USA beunruhigen, als die allgemein instabile Situation der Andenländer. „In Venezuela sehen sie eine unsichere politische Lage, Ecuador ist wirtschaftlich sehr instabil und da ist Kolumbien ein destabilisierender Faktor in der Region“, sagt er. Kein Wunder, dass Kolumbiens Nachbarländer die US-Aktivitäten mit Skepsis und Sorge betrachten. Brasilien, Ecuador und Peru haben ihre Grenztruppen verstärkt, Venezuela hat den USA die Überflugrechte entzogen.

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