: Zum Bürgerrechtler geläutert
Morris Dees weiß mit Geld umzugehen: In seinem ersten Leben war er erfolgreicher Unternehmer
WASHINGTON taz ■ In einer Winternacht des Jahres 1967 kehrte sich sein Leben um: Morris Dees, ein erfolgreicher Geschäftsmann und Anwalt, war auf dem Flughafen von Cincinnati eingeschneit und hatte eine Nacht lang Zeit, über sein Leben nachzudenken. „Als ich am anderen Morgen in Chicago landete, war ich ein anderer Mensch,“ schreibt er in seiner Autobiografie „Zeit für Gerechtigkeit“ (1993).
Morris Seligman Dees Jr. wurde 1936 in Shorter, Alabama, als Sohn eines Farmers und Besitzers einer Baumwollverarbeitungsanlage geboren. Berühmt wurde Dees zunächst nicht für seine Tätigkeit als Anwalt, sondern als genialer Geschäftsmann, der schon in der Universität einen erfolgreichen Buchversand ins Leben gerufen hatte. 1966 wurde er zu den „vielversprechendsten jungen Leuten in Amerika“ gezählt. Mit der Bürgerrechtsbewegung hatte er zwar sympathisiert, sich aber nicht selbst engagiert.
Das sollte sich ändern. Dees verkaufte seinen Verlag und Postversandbücherdienst an das Unternehmen Times Mirror, den damaligen Besitzer der Los Angeles Times, und begann sich als Anwalt für Bürgerrechte zu engagieren. Das Wahlrechtsgesetz aus dem Jahr 1965 mochte einiges für die afroamerikanische Minderheit geändert haben, die Machtstrukturen in Amerikas Süden aber hatte es unangetastet gelassen. 1968 erwirkte seine Kanzlei die Aufhebung der Rassentrennung im YMCA von Montgomery, Alabama. 1971 gründete er mit seinem Sozius Joseph J. Levin und dem Bürgerrechtler Julian Bond das Southern Poverty Law Center (SPLC), das Rechtsbeistand in Bürgerrechtsfällen gewährt und aktiv rechtsextreme Gruppen überwacht. Nun engagierte er sich auch parteipolitisch. 1972 war er Fundraiser für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten George McGovern, ihm gelang es erstmals, große Summen durch das Eintreiben kleiner Wahlkampfspenden aufzubringen. Er arbeitete auch für die Wahlkämpfe Jimmy Carters und Ted Kennedys.
1996 veröffentlichte er das Buch „Sturmwolken“, in dem er Amerikas Hass-Szene darstellt. Ein Jahr zuvor hatte er Amerikas Justizministerin Ja- net Reno gewarnt, die so genannten „Militias“ planten Gewaltakte. Wochen später explodierte in Oklahoma City die Bombe, die 168 Menschen tötete.
Morris Dees’ eigentliche Handschrift aber sind die Verfahren, in denen er Amerikas Zivilrecht nutzte, um rassistische Gruppen in den Ruin zu treiben. Das 1981 gegen eine Ortsgruppe des Ku Klux Klan erwirkte Schadenersatzurteil trieb den Klan effektiv in den Bankrott. Rechtsgeschichte machte das Verfahren, das er gegen die White Aryan Resistance (WAR) anstrengte. Hier erwirkte Dees ein Schadenersatz- und Schmerzensgeldurteil gegen zwei Männer, die selbst nicht die Hand zu einer Bluttat erhoben, wohl aber rassistisches und zum Hass aufreizendes Material vertrieben hatten, durch das jugendliche Skins zum Mord inspiriert wurden. Den Fall beschreibt er in seinem 1993 erschienen Buch „Hass vor Gericht“.
Heute lebt Morris Dees auf einer Ranch in Mathews, Alabama, und ist für die Presse nur sehr selten zu sprechen. Im Internet finden sich buchstäblich tausende von Pamphleten und Hasstiraden gegen ihn. PETER TAUTFEST
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen