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Zwangsarbeiter werden vertröstet

Nach der Präsentation der in einem Bunker gefundenen Zwangsarbeiter-Kartei wird die Forderung nach einer Berliner Anlaufstelle für diese NS-Opfer lauter. Vor der Sommerpause fühlte sich der Senat nicht zuständig, jetzt will er dies „prüfen“

von PHILIPP GESSLER

Der Historiker Jens Kleist hat gestern an den Senat appeliert, eine Landesstelle für die Anfragen von Zwangsarbeitern zu schaffen. Auf die Stadt werde eine wahre Flut von Anfragen zukommen, so der Historiker, die ohne eine solche Stelle nicht zu bearbeiten seien.

Kleist, der für den Verein „Berliner Unterwelten“ eine in einem Bunker gefundene Kartei mit Namen von Zwangsarbeitern auswertet, verwies auf Schätzungen von Historikern, wonach in der Reichshauptstadt insgesamt über 500.000 Ausländer zum Profit der Berliner Unternehmen und zur Entlastung der Kommune unter miserablen Bedingungen beschäftigt wurden.

Nachdem die Bundesregierung die Stiftung zur Entschädigung von Zwangsarbeitern eingerichtet habe, seien die jetzigen Stellen mit der Antragsmenge überfordert, warnte Kleist. Die hochbetagten ehemaligen Zwangsarbeiter, die heute vor allem Osteuropa oft unter elenden Bedingungen lebten, müssten schnell entschädigt werden.

Dieser Forderung schloss sich der stellvertretende Leiter des Landesarchivs, Klaus Dettmer, an. Sein Amt erhalte pro Tag etwa 20 Anfragen vor allem aus der Ukraine. Seine Mitarbeiter müssten sie bearbeiten, „weil für diese Aufgabe weiter niemand anderes bestimmt“ worden sei. „Auf dem Behördensektor“ sei nach Einrichtunge der Stiftung bislang „noch nichts“ getan worden: „Wir brauchen in jedem Fall Unterstützung“, so Dettmer.

Wie Berliner Zwangsarbeiter-Experten berichten, laufen in der Stadt seit Jahren Anfragen von Zwangsarbeitern ein. Darin wird zum einen nach dem Prozedere für die Entschädigungen gefragt. Zum anderen werden Dokumente gesucht, die die Zwangsarbeit an sich belegen. Bisher aber seien die Briefe innerhalb der Verwaltung nur hin- und hergeschoben. Oft werde die Anfrage bloß an den Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen weitergeleitet, wo die Bearbeitung meist Jahre dauere – Zeit, die die alten Menschen nicht mehr haben.

Senatssprecher Eduard Heußen erklärte, die Forderung nach einer Anlaufstelle werde derzeit „geprüft“. Er konnte aber gestern keine weiteren Angaben zu dieser Frage machen. Die PDS-Abgeordnete Gesine Lötzsch hatte im Landesparlament bereits vor der Sommerpause eine kleine Anfrage zur dieser Problematik gestellt. Doch die Landesregierung, so erinnert sich die Abgeordnete, habe sich im Wesentlichen als „nicht zuständig“ erklärt.

Der Verein „Berliner Unterwelten“ hatte gestern die in einem Bunker gefundenen Karteikästen, in denen auf Metallplatten die Namen von über 3.000 Zwangsarbeitern geprägt waren, der Öffentlichkeit präsentiert. Die während der NS-Zeit aus dem Ausland nach Berlin verschleppten Männer, Frauen und Jugendlichen mussten damals für die Elektrikfirma C. Lorenz AG arbeiten – ein Vorläuferunternehmen der Stuttgarter Alcatel SEL AG.

Kleist hatte im Rahmen der Präsentation dem Landesarchiv eine Liste der Zwangsarbeiter übergeben, die in dem Elektrik-Werk ausgebeutet worden waren.

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