: Theaterprobe für Bedenkenträger
Arte stellt fest: „Rechte Gewalt – Gefahr für die Demokratie“ (20.45 Uhr). Gut, dass darüber geredet wurde
So sieht das also aus, wenn sich die Bedenkenträger der Republik versammeln, um über das Thema Rechtsradikalismus zu diskutieren. Vergangene Woche trafen sich Michel Friedman, stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden, Wolfgang Thierse, Bundestagspräsident, Niombo Lomba, Mitglied des Bundesvorstands der Grünen, und Jürgen Kanehl, Bürgermeister der Stadt Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern.
Eine kleine, exklusive Runde also, die sich da im Medienkontor in Berlin eingefunden hatte, um im Rahmen des arte Themanabends „Rechte Gewalt – Gefahr für die Demokratie“ zu plauschen. Ab 20.45 Uhr wird der Themenabend ausgestrahlt und die Debatte soll der Höhepunkt sein. Leider ist sie der Schwachpunkt des ansonsten gut gestalteten Abends.
Da trifft sich die Prominenz, um unter dem Motto „Stoppt die rechte Gewalt!“ über die Problematik des Rechtsradikalismus in Deutschland zu diskutieren. Vor der Aufzeichnung quatscht Friedman mit Annetta Kahane, Leiterin der regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen und ebenfalls Gast der Diskussionsrunde. Allerdings nicht über Nazis und wie sich Übergriffe verhindern ließen, sondern über seine eigene Talkshow „Vorsicht Friedman“.
Thierse lässt sich vom Aufnahmeleiter gelangweilt das Mikro am Hemdkragen richten und der Diskussionsleiter probt seine Anmoderationen. Als Zuschauer hat man nicht gerade das Gefühl, man nehme an der Diskussions-Aufzeichnung zum Thema Rechtsradikalismus teil. Das hier ist eine Theaterprobe.
Reine Routine, gespickt mit Smalltalk und lauen Scherzen. Die Kamera läuft, die Aufzeichnung beginnt, und schlagartig ändert sich die Stimmung. Betroffene Mienen, ernsthafte Gesichter bei allen Teilnehmern. Das Motto heißt schließlich „Stoppt rechte Gewalt!“.
Über „stoppen“ wird allerdings reichlich wenig geredet. Alle sind sich einig, dass sie sich einig sind: „Rechte Gewalt ist ein Problem und gehört diskutiert.“
Kanehl berichtet von der Front in Meck-Pomm, Thierse wägt die Argumente eines NPD-Verbots ab, und Friedman pocht darauf, dass das alles nicht im Sommerloch 2000 verschwinden darf.
Und so kommt die Debatte über platte Wiederholungen der Parolen der letzten Wochen nicht hinaus. Klar darf dieses Thema nicht nur das Sommerloch 2000 füllen. Natürlich muss man nicht nur die Gewalt bekämpfen, sondern auch präventive Maßnahmen ergreifen – in der Schule und in der Familie. Über Ursachen wird seit Wochen debattiert.
Eine Diskussionsrunde, in der konkrete Vorschläge zu einer Lösung des Problems erörtert werden, hätte dem Themenabend sicherlich gut getan. Wie genau soll „die Gesellschaft“ sensibilisiert werden, und welche präventive Maßnahmen sind gemeint? Es sind die Antworten auf diese Fragen, die im Rahmen eines solchen Abends debattiert gehören.PHILIPP DUDEK
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