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Schiene beflügeln

Verkehrsminister Klimmt will Kurzflüge verstärkt durch Züge ersetzen. Dennoch wird der Flugverkehr wachsen

BERLIN taz ■ Die Bundesregierung will sich verstärkt für dafür einsetzen, Kurzstrecken- und Zubringerflüge auf die Schiene zu verlagern. Das sagte gestern Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) in Berlin. Das Bundeskabinett hatte kurz zuvor das „Flughafenkonzept der Bundesregierung“ gebilligt.

Das Konzept ist gemeinsam mit den Ländern entwickelt worden, um das Wachstum des Flugverkehrs unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten beurteilen zu können. Der Bund hat bei der Flughafenplanung keine Zuständigkeiten. Mit dem Konzept wolle er deshalb nur eine koordinierende Rolle übernehmen, so der Minister.

Klimmt geht davon aus, dass sich der Flugverkehr in den nächsten 15 Jahren verdoppeln werde. Im letzten Halbjahr hat der internationale Flugverkehr von deutschen Flughäfen aus um 7,5 Prozent zugenommen. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden in der vergangenen Woche mitteilte, flogen im ersten Halbjahr 22,8 Millionen Menschen von Deutschland ins Ausland. Bei Inlandsflügen betrug der Zuwachs 6,1 Prozent auf 10,9 Millionen Passagiere.

Mit den vorhandenen Flughafenkapazitäten sei die steigende Nachfrage schon in naher Zukunft nicht zu bewältigen, sagte Klimmt. Er sprach sich dafür aus, zum einen die Großflughäfen Frankfurt, München und Düsseldorf auszubauen und zum anderen den Hauptstadtflughafen Berlin-Schönefeld so schnell wie möglich auszubauen. Kleine Satellitenflugplätze aber sollten eventuelle Kapazitätserweiterungen überdenken. Sie und Großflughäfen sollten verstärkt kooperieren um sich besser auszulasten. Bestehende Kooperationen wie Düsseldorf/Mönchengladbach, Frankfurt/Hahn oder München/Augsburg hätten zwar bisher nicht dazu geführt, das sich die Flugbewegungen etwa bei Geschäftsflügen deutlich verlagert hätten. Mit entsprechendem „großen kreativen Einsatz“ sei hier jedoch eine Trendwende möglich.

Klimmt will möglichst viele emissionsintensive Kurz- und Zubringerflüge auf die Schiene verlagern. Damit könne zwar das Wachstum des Flugverkehr insgesamt nicht aufgehalten werden, weil die frei werdenden Kapazitäten für internationale und interkontinentale Flüge genutzt würden. Das Ausbautempo der deutschen Flughäfen könne aber durch die Verlagerung zumindest gedrosselt werden. „Wer von Köln nach Frankfurt im ICE bald nur noch eine Stunde braucht, wird nicht mehr fliegen“, sagte der Verkehrsminister. Gute Zugverbindungen verringerten letzlich auch den Autoverkehr.

Am Beispiel Frankfurt werde deutlich, das sich mit einem Ausbau auch ökologische Ansprüche verwirklichen ließen. Erst mit der geplanten neuen Startbahn sei ein Nachtflugverbot im Rhein-Main-Gebiet durchsetzbar. Derzeit starten und landen am Flughafen Frankfurt pro Nacht etwa 50 Maschinen. Diese Flüge könnten in Zukunft auch tagsüber stattfinden.

Die Bundesregierung hält nach dem Konzept, die bisherigen Programme gegen Fluglärm in Zukunft nicht mehr für ausreichend. Sie will deshalb das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm novellieren. Darin sollen die Lärmschutzzonen im Umfeld der Flughäfen erweitert und mit schärferen Grenzwerten belegt werden. Grenzwertüberschreitungen sollen mit „drastisch erhöhten Bußgeldern“ geahndet werden.

Das Flughafenkonzept wird nach Klimmts Plänen in den nächsten Wochen mit Flughafenbetreibern, der Lufthansa und Umweltverbänden diskutiert. Ende September sollen die Landesverkehrsminister zustimmen. TORSTEN DENKLER

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