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Finkelstein auf den Index?

Salomon Korn, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, kritisiert geplante deutsche Ausgabe von „The Holocaust Industry“. Verlag verteidigt sich

BERLIN taz ■ Salomon Korn, Präsidiumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat sich in die Diskussion um das Buch „The Holocaust Industry“ von Norman Finkelstein eingeschaltet. Korn will nicht, dass das umstrittene Buch des amerikanischen Politologen in deutscher Sprache veröffentlicht wird.

Finkelsteins Buch sei „Wasser auf die Mühlen der Antisemiten“, kritisierte Korn in einem Interview mit der Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung. Das Vorhaben des Münchener Piper-Verlags, eine deutsche Übersetzung herauszugeben, wertete Korn als Geschäftemacherei: „Hier geht Kasse vor Klasse.“ Wenn es dem Verlag um „wirkliche Aufklärung in der Sache“ gehe, dürfe er das Buch nicht veröffentlichen.

Finkelstein, dessen Eltern das Warschauer Ghetto und Konzentrationslager überlebt haben, stellt in seinem Werk die These auf, es gebe eine „Holocaust-Industrie“, die das Leiden der jüdischen Opfer für ihre eigenen Zwecke missbrauche.

Der Piper-Verlag will an der Veröffentlichung im Februar 2001 festhalten. Man wisse um die Problematik des „Beifalls von der falschen Seite“, erklärte der Verlag gestern, „nur – soll sich der Verlag davon vorschreiben lassen, welche Bücher er für die politische Diskussion in Deutschland für notwendig hält?“ Kaum ein Buch habe in den letzten Jahren ein „so großes und interessantes Echo ausgelöst“. Den Text „als Grundlage für die Diskussion auf Deutsch zu publizieren, halten wir deshalb für sachlich geboten.“

Finkelstein wirft jüdischen Organisationen vor, bei den Zwangsarbeiter-Verhandlungen mit falschen Zahlen zu operieren. So beschuldigt er den Jüdischen Weltkongress und die Jewish Claims Conference, mit „unlauteren Methoden“ den Kreis der Anspruchsberechtigten auszuweiten, um von deutschen Unternehmen und schweizerischen Banken hohe Beträge zu erpressen.

Korn hält das Buch für ein Werk „voller inhaltlicher Fehler, ideologischer Verdächtigungen und abwegiger Verschwörungstheorien“. Offensichtlich spekuliere der Piper-Verlag darauf, „dass man endlich mal die Juden nicht nur in der Opferrolle, sondern auch in der Täterrolle sehen möchte – vor allem hier in Deutschland“.

Auch ohne eine deutsche Übersetzung hat das Buch bereits eine öffentliche Debatte ausgelöst, die in ihrer Heftigkeit an die Auseinandersetzung um Daniel Goldhagens „Hitlers willige Vollstrecker“ vor zwei Jahren erinnert. Ebenso wie damals will der Leiter des Moses Mendelssohn Zentrums der Uni Potsdam, Julius Schoeps, eine Dokumentation der Diskussion erstellen. Diese soll im Januar erscheinen - also noch vor der deutschen Übersetzung. LUKAS WALLRAFF

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