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Hundert Punkte für Claudia

Runter kommen sie alle und ins Fernsehen auch: Benjamin v. Stuckrad-Barre und Freunde lasen im Columbia Fritz

Tja, sagt Benjamin v. Stuckrad-Barre, so genau wisse auch er nicht, wer noch alles an Gästen komme, „vielleicht ist es nur einer, vielleicht auch vier oder fünf, oder keiner“. Doch gleich darauf sitzen schon Wiglaf Droste und Eckhart Nickel auf der Bühne des Columbia Fritz in Tempelhof und lesen ein Kapitel aus Stuckrad-Barres neuem Buch „Blackbox“. Spannung aufbauen, Scherzchen machen, mit Publikumserwartungen spielen, ja sogar die eigene Unbeholfenheit performen: all das versteht Benjamin v. Stuckrad-Barre augenscheinlich gut.

Eine Lesung von ihm ist nicht nur eine Lesung, sondern eine Show mit viel Comedyelementen, Musik und an diesem Abend auch mehreren anderen Darstellern aus dem Literatur- und Medienbetrieb. Neben Eckhart Nickel und Wiglaf Droste sind u. a. Friedrich Küppersbusch, Rainald Goetz und Else Buschheuer gekommen, um „Blackbox“ ihr öffentliches Geleit zu geben.

Umso schwerer ist es da, die „Blackbox“-Party mit dem Auftritt von Stuckrad-Barre einen Abend vorher in der Harald-Schmidt-Show in Deckung zu bringen. Da saß, nein, da bewegte er sich so unruhig in seinem Sessel, dass man fast Angst um das gute Möbelstück bekam. Stuckrad-Barre wirkte gerade im Vergleich zu seinem souveränen Gegenüber gefährlich verkrampft, machte den Stichwortgeber für Schmidt, der seinen Spaß hatte, und war am Ende sichtlich froh, das „Gespräch“ überstanden zu haben.

„Zwangspunkig“ seien seine Auftritte im Fernsehen früher gewesen, hat er vor kurzem der SZ erzählt. Doch ob nun zwangspunkig, unsicher oder eben gar nicht, wie letzte Woche bei Kerner, wo er es vorzog, Hartmut Engler von Pur lieber nicht zu begegnen, weil der ihm Prügel angedroht hatte für das Belauschen seiner Frau: So richtig rüberkommen wollen die Stuckrad’schen Fernsehauftritte nie, das Fernsehen lässt sich eben nicht leicht in seinen Grundfesten erschüttern und hat mehr Spaß an Stuckrad-Barre als umgekehrt.

Immerhin erfüllen die Auftritte ihren Zweck. „Blackbox“ kämpft mit den Harry-Potter-Bänden stündlich um den ersten Verkaufsrang bei Amazon.de (hat auch Harald Schmidt gesagt und das Buch freudig in die Höhe gehalten), und einen Laden wie das Columbia Fritz mit seinen auch bestuhlt Fünf- bis Sechshundert Plätzen verkauft Stuckrad-Barre locker aus.

Dort machen dann ein Dutzend Fotografen hunderte von Aufnahmen, und dort sitzen vor allem in den vorderen Reihen tatsächlich viel mehr Mädchen als Jungs. Die freuen sich, wenn Droste stellvertretend für Stuckrad-Barre nochmal dem Engler eins mitgibt – leider noch immer eine der einfachsten Übungen. Und die freuen sich, wenn Stuckrad-Barre seine Witzchen über den in der benachbarten Columbiahalle auftretenden Enrique Iglesias macht, aus Versehen ein Sektglas zerbricht oder verzweifelt nach Friedrich ruft: „Das ist jetzt keine Comedy“.

Küppersbusch’ Auftritt gerät so auch eher unspektakulär, ganz im Gegensatz zu dem von Rainald Goetz, der mit Stuckrad-Barre die beiden Boulevard-Gespräche des Jahres noch einmal zum Besten gibt: das von Paul Sahner mit Marcel Reich-Ranicki und das der Bild-Redakteurin Berger mit Prinz Ernst August von Hannover. Ja, ja, dein Medienbetrieb, was haben wir da doch alles auf Lager: Parabeln, Reflexionen, Anschläge. Doch kein Schelm, wer solche Einlagen einfach nur albern oder eben lustig findet. Am Ende darf auch noch Claudia aus dem Publikum zum Lesen mit Stuckrad-Barre auf die Bühne. Sie macht ihre Sache gut, bekommt hundert Punkte, genau wie Stuckrad-Barre, und auch ein Autogramm.

Und über Pop und Literatur unterhalten wir uns dann ein anderes Mal. GERRIT BARTELS

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