: Filz-Uni bleibt sich treu
Der gewählte FU-Kanzler ist erfolgreich weggemobbt: Über Haushalt und Personal der größten Berliner Hochschule gebietet jetzt ein Mann, der den Skandalen der FU-Geschichte eng verbunden ist
von RALPH BOLLMANN
Jetzt hat er es doch noch geschafft. Peter Lange, bislang FU-Präsidialamtsleiter und vor drei Jahren als Bewerber um das Amt des Uni-Kanzlers wegen mangelnder Qualifikation ausgeschieden, darf das universitäre Spitzenamt nun doch bekleiden – ganz ohne Wahl und öffentliche Ausschreibung.
Über Haushalt und Personal der größten Berliner Hochschule gebietet damit ein Mann, dessen Name so eng mit den Skandalen der jüngeren FU-Geschichte verbunden ist wie kaum ein anderer. In den Achtzigerjahren sicherte das AL-Mitglied Lange als Architekt inneruniversitärer Koalitionen die FU-Präsidentschaft des späteren Innensenators Dieter Heckelmann (CDU) ab, der durch eine Intrige gegen seinen Vorgänger ins Amt gekommen war.
Auch unter den Nachfolgern Heckelmanns baute der Strippenzieher seine Machtposition aus – und schuf sich dafür ein Amt, das es an keiner anderen Hochschule gibt: Als „Leiter des Präsidialamtes“ war er zwar höchst einflussreich, musste sich aber keiner Wahl stellen und damit auch nicht öffentlich zur Verantwortung ziehen lassen.
Als er 1997 aus dem Schattenreich der FU-Zentralverwaltung heraustrat und sich als Bewerber um den Kanzlerposten erstmals einem transparenten Auswahlverfahren stellen musste, erlitt der Stratege prompt Schiffbruch. Die einzige Position, die in der Verwaltungshierarchie noch über dem Präsidialamtsleiter rangiert, wurde mit einem auswärtigen Bewerber besetzt.
Doch der neue Kanzler Wolf-Dietrich von Fircks, zuvor in gleicher Funktion an der Universität Oldenburg tätig, wurde in Dahlem nicht glücklich. Je länger er amtierte, umso mehr zeichnete sich ab: Große Teile der FU-Verwaltung arbeiteten ihm nicht zu, sondern an ihm vorbei. Deshalb war an der Hochschule niemand erstaunt, als Fircks im Juni ein Angebot der ungleich kleineren Veterinärmedizinischen Universität Wien annahm. Dort wird er vom 1. März 2001 an für vier Jahre als Rektor Asyl finden.
Nun verlor Peter Lange keine Zeit mehr. Schließlich galt es, einer etwaigen Debatte um die Neuausschreibung des Kanzlerpostens zuvorzukommen. Am 31. Juli teilte FU-Präsident Peter Gaehtgens den Mitgliedern der Hochschule per Rundschreiben mit, Lange sei mit der „vertretungsweisen Wahrnehmung der Dienstgeschäfte des Kanzlers“ betraut. Bereits am 1. August, also nur einen Tag später, trat die Neuregelung in Kraft. Gerade hatten die Semesterferien begonnen, Widerspruch war also vorerst kaum zu fürchten.
Schnell wurde klar, dass Lange den Zusatz „vertretungsweise“ keinesfalls als Einschränkung seiner Kompetenzen verstand. Er zögerte keinen Moment, das Dienstzimmer des Kanzlers in Beschlag zu nehmen – anders als Gaehtgens, der erst mit seiner offiziellen Wahl in die Präsidentensuite wechselte, obwohl er die Geschäfte der FU bereits ein ganzes Jahr lang für seinen kranken Vorgänger geführt hatte.
Solches Stilgefühl, mit dem die professoralen Vertreter im FU-Präsidium den universitären Filz stets elegant bemäntelten, ist dem ruppigen Sauerländer Lange völlig fremd. Auf dem zweiten Bildungsweg vom Industriekaufmann zum Diplom-Handelslehrer aufgestiegen, blieb er stets der Mann fürs Grobe, der die Polizei gegen aufmüpfige Studenten hetzte und die Gäste akademischer Feierstunden bei mangelndem Wohlverhalten bisweilen harsch zurechtwies.
Der gemobbte Fircks wurde in eine eigens geschaffene Stabsstelle „Private Geschäftsfelder“ abgeschoben. Das halbe Jahr, das ihm bis zum Wiener Amtsantritt noch bleibt, darf er in einem abgelegenes Häuschen am anderen Ende des Campus verbringen. FU-Präsident Gaehtgens betont allerdings, die Villa sei „alles andere als einsam“. Nebenan befinde sich mit dem Immatrikulationsbüro „der höchstfrequentierte Ort der Universität“.
Auch an seiner Entscheidung, Lange in die akademische Spitzenposition aufrücken zu lassen, kann der Uni-Chef nichts Falsches finden. Bei einer Neuausschreibung sei die Hochschule erneut für zehn Jahre an eine Person gebunden – obwohl an Deutschlands Unis allenthalben über die Abschaffung des Kanzlerpostens debattiert werde.
Eine Debatte, die Peter Lange an der FU gewiss zu verhindern weiß.
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