Schlag gegen den Glasnost Fonds

Eine der ältesten Moskauer Bürgerinitiativen wird Opfer einer Razzia. Der Geheimdienst mag sie nicht

MOSKAU taz ■ Sergej Grigorijanz glaubt nach einer Razzia in seinem Büro nicht an die Version einer Routineüberprüfung: „Die Aktion hatte die Zustimmmung von sehr weit oben“, meint der Chef des Moskauer Glasnost Fonds. Der ehemalige sowjetische Dissident ist ein unermüdlicher Kämpfer für die Meinungsfreiheit. Der Fonds zählt zu den ältesten und einflussreichsten Bürgerinitiativen Russlands. Den Sicherheitsorganen ist er ein Dorn im Auge. Nicht nur wegen der scharfen Verurteilung des Tschetschenienkrieges. Der Geheimdienst FSB, Nachfolger des sowjetischen KGB, fühlt sich von den zivilen Observanten, die das Wirken der Spitzelagentur im Rahmen eines jährlichen Kongresses genauer unter die Lupe nehmen, verunsichert.

Wie erst später bekannt wurde, klopfte es am Montagabend gegen 19 Uhr an der Tür des Fonds in der Moskauer City. Sieben maskierte Leute mit Kalaschnikows und ein Milizoffizier verlangten Einlass. Die Maskierten brachen den Hintereingang auf, zwangen alle Anwesenden, sich auf den Boden zu legen und kontrollieren deren Papiere. Keiner nannte den Grund der Razzia. Ein Vorgesetzter, der später eintrifft, verlangt auch von Grigorijanz Dokumente. Dieser verweist auf das Gesetz, das Polizisten in Russland verpflichtet, sich zuerst auszuweisen: „Du kennst die Gesetze zu gut“, antwortet der und verlässt mit dem Kommando das Büro so überraschend, wie es gekommen waren. „Sie wussten genau, wo sie waren, es wurde nichts durchsucht und nichts durcheinandergebracht.“ Dafür wäre ein Durchsungsbefehl der Staatsanwaltschaft nötig gewesen. „Offensichtlich wollte man so weit nicht gehen“, meint der Menschenrechtler.

Käme es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, hätte sich die Polizei indes nichts zu Schulden kommen lasssen. Seit im vergangenen Herbst zwei Moskauer Wohnblöcke in die Luft gesprengt wurden, haben die Sicherheitsstrukturen im Rahmen „antiterroristischer“ Sondermaßnahmen das Recht, bei Verdacht auf kriminelle Machenschaften Zugang zu Privaträumen zu verlangen.

Die Bezeichnung „glasnost“ steht für Öffentlichkeit und Durchsichtigkeit. Die jedoch ist nicht unbedingt gegeben: Als die Organisation einen Bericht des Vorfalls über das Internet verbreiten wollte, ging die Mail nicht durch. Erst nachdem man das verräterische „glasnost“ aus der Kopfzeile entfernt hatte, erreichte die Nachricht ihre Empfänger. KLAUS-HELGE DONATH