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Konsultationen mit Kritikern

Erste Aktionen in Prag gegen Jahrestagung von IWF und Weltbank. Banker suchen den Dialog mit Kritikern. Doch der wird die Proteste nicht verhindern können

BERLIN taz ■ Die Prager werden nicht schlecht gestaunt haben. Da blockierten am vergangenen Montag mehrere Leute die berühmte Karlsbrücke in Prag und verlangten einen „Wegezoll“. Die Brücke, erklärten die Blockierer den Passanten, sei verkauft worden an die Firma Goldman Corporation und damit Privatbesitz. Wer die historische Berühmtheit sehen wolle, müsse nun Gebühren zahlen. Die Aktion war kurz, angemeldet und ein Vorgeschmack auf das, was Prag in knapp drei Wochen blüht.

Mit der fiktiven Privatisierung durch eine ebenso fiktive Firma wollte die tschechische Organisation Inpeg (Initiative against Economic Globalisation) zeigen, was passiert, wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) Regierungen zu Sparmaßnahmen und eben Privatisierungen zwingt. Mit solchen und ähnlichen Aktionen wollen bis zu 50.000 Demonstranten ab 20. September, wenn die Jahrestagung von IWF und Weltbank in Prag beginnt, ihre Kritik öffentlich machen. Neben Aktionen auf der Straße wird es weitere Termine für die Globalisierungsgegner geben. Ein Aktivistentraining (Herleitung von Konsensentscheidungen, gewaltlose Aktionen) und ein dreitägiger Gegengipfel werden angeboten. Höhepunkt der Protestaktionen wird der 26. September sein. Weltweit rufen Gruppen dazu auf.

Auch die Weltbank und der IWF haben aus den heftigen Protesten 1999 in Seattle gelernt und frühzeitig mit vorbeugenden Maßnahmen begonnen: Nicht dichtmachen, sondern diskutieren. NRO-Vertreter dürfen an offiziellen Seminaren teilnehmen und Kritiker und IWF-Vertreter treffen sich am 8. September in London zu Gesprächen. Am 23. September soll es dann auf Einladung des tschechischen Präsidenten Václav Havel ein Treffen in Prag geben. Teilnehmen werden auch der Chef des IWF, Horst Köhler, und Weltbankpräsident James Wolfensohn. Viel erwarten die Kritiker davon jedoch nicht. „Die zwei Stunden, die meist dafür angesetzt werden, sind zu kurz für echte Diskussionen“, sagte Barbara Unmüssig von der Organisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung. Der „Konsultationszirkus“ binde wertvolle Zeit. „Köhler führt eine andere Öffentlichkeitspolitik als sein Vorgänger“, erkennt Unmüssig an, „aber das ändert noch nichts an seinen Programmen.“ So werden Bank und IWF mit den Konsultationen die Proteste auf der Straße nicht verhindern können.

Für die offiziellen Teilnehmer, Gouverneure von Bank und IWF, Lobbyisten und Vertreter großer Banken, wird es bei der Tagung vor allem um die Reform des Internationalen Währungsfonds gehen und um entsprechende Umstrukturierungen auch bei der Weltbank. So befürwortet Köhler eine stärkere Einbeziehung des Privatsektors in der Prävention von Finanzkrisen und will sich kurz vor der Jahrestagung mit einer dazu gegründeten Arbeitsgruppe erstmalig treffen. Vorab ebenfalls schon angesprochen hat er eine Aufgabenreduzierung und Konzentration der Fondsgelder; einem Missbrauch des IWF als permanenten Krisenfonds will er zukünftig vorbeugen. Außerdem wolle man den Ländern besser erklären, was der Fonds tue und warum. Bei der Bank haben manche Regierungen erkannt, dass die Kredite der Institutionen vor allem eins bewirken: die längst untragbar gewordenen Schulden erhöhen. In Malawi lehnte die Regierung einen Kredit der Bank für die Aidsbekämpfung in Höhe von 40 Millionen Dollar mit der Begründung ab, das Land sei verschuldet genug und könne einen solchen Kredit nicht zurückzahlen. Gesundheitsminister Philip Bwanali sagte dem Sender BBC, wenn, dann solle die Bank das Geld als Zuschuss, also als Geschenk vergeben. MAIKE RADEMAKER

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